Stark aus der Krise: Wie wir Krisen leichter bewältigen
Inmitten der größten Herausforderungen können sich auch neue Chancen ergeben
© Miguel Bruna / Unsplash
„Es gibt immer ein Licht am Ende des Tunnels“ – ein Satz, der Stärke und Hoffnung geben soll. Wer gerade eine schwierige Situation durchmacht, kann damit aber meist wenig anfangen. Doch inmitten der größten Herausforderungen können sich auch neue Chancen ergeben. Denn es gibt Möglichkeiten, Krisen leichter zu bewältigen und sogar an ihnen zu wachsen. Wir haben mit Barbara Juen, Chef-Psychologin des Roten Kreuzes, darüber gesprochen.
Erstmal durchatmen
Wir alle sind im Laufe unseres Lebens mit verschiedenen Krisen konfrontiert – sei es durch Naturkatastrophen, persönliche Verluste oder unerwartete Lebensveränderungen. Krisen sind unvermeidbar und bringen manchmal das ganze Leben durcheinander. Doch während niemand gerne in Krisen steckt, können unerwartete Herausforderungen auch etwas Gutes mit sich bringen. Denn sie zwingen uns dazu, unsere Komfortzone zu verlassen, die Perspektive zu wechseln und neue Wege einzuschlagen, um Ende gestärkt und mit mehr Resilienz in die Zukunft zu starten. Doch wie gelingt das?
Wer bereits schwierige Lebensphasen durchgemacht oder aktuell das Hochwasser in Niederösterreich miterlebt hat, kennt das anfängliche Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit. Ein Ausweg scheint zu Beginn einer Krise in weiter Ferne. Gerade dann ist es besonders wichtig, die Situation erst mal zu begreifen und möglichst viele Informationen zu bekommen, die ein Gefühl der Kontrolle vermitteln, weiß Barbara Juen. Die erfahrene Krisenexpertin und Chef-Psychologin des Roten Kreuzes hat in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Menschen zusammengearbeitet, die Extremsituationen bewältigen mussten. Schon oft hat sie erlebt, dass „das Bedürfnis, dass man selber handlungs- und entscheidungsfähig bleibt“ in solchen Zeiten besonders groß ist. Wir wollen wissen, wie es weitergeht und was als nächstes zu tun ist. Weil unser Hirn in Krisen allerdings „quasi auf Notfallmodus umschaltet“, sind wir oftmals nicht mehr in der Lage zu planen und „das Wichtige und das Unwichtige zu unterscheiden“, so Juen. „Da braucht man dann oft jemanden neben einem, der halbwegs die Kontrolle, die Struktur und den Überblick behält“, erklärt sie.
Gemeinsam stark
Neben wichtigen Informationen, die in Krisensituationen helfen, einen kühlen Kopf zu bewahren, ist nämlich vor allem das soziale Umfeld entscheidend, wenn es darum geht, mit unerwarteten Lebensveränderungen besser umzugehen. Laut Forschungen sei die Gemeinschaft der Faktor, der den größten Einfluss auf die Erholung in schwierigen Phasen hat, so Juen. Das kann einerseits Unterstützung vom direkten Umfeld und der Familie sein, und andererseits von Menschen, die bereits ähnliche Situationen erlebt haben. Es ist das Gefühl, nicht alleine zu sein, das es leichter macht, belastenden Erfahrungen zu verarbeiten und daran zu wachsen. Umso wichtiger ist es, sich genau dann Hilfe zu suchen und über das Erlebte zu sprechen.
Gleichzeitig betont Juen, dass es wichtig ist, sich Pausen zu gönnen und in Krisen auch an den vertrauten Alltag zu denken. Denn gewohnte Routinen können dabei helfen, der Normalität wieder ein Stück näher zu kommen. Vor allem für Kinder ist diese Stabilität besonders wichtig, so die Expertin. „Alltagsstruktur heißt, zu einer bestimmten Zeit essen, zu einer bestimmten Zeit ins Bett gehen, bestimmte Rituale haben“, erklärt Juen. Aber auch Erwachsene brauchen in schwierigen Situationen Struktur. Sie dürfen nicht vergessen, „dass sie sich trotzdem ihre Oasen und Auszeiten schaffen“. Das bedeutet etwa Sport zu machen, zu lesen oder sich Hobbys zu widmen, die ablenken und dabei helfen, wieder Energie zu tanken.
Krisen bedeuten Wachstum
Krisen können uns langfristig stark machen, da ist sich die Expertin sicher. Sie bringen uns ein neues Verständnis für unsere eigenen Stärken, bringen uns näher zusammen und fördern unsere Resilienz. Es braucht jedoch Zeit, bis wir klar sehen, was wir aus Krisensituationen gewinnen können. Gleichzeitig müsse man dafür auch „den Verlust anerkennen“, der mit herausfordernden Lebensveränderungen einhergeht, so Juen. Dann ist es auch möglich mentale Stärke aus dem Erlebten zu ziehen und daran zu wachsen. Etwas, das man in Niederösterreich auch jetzt schon sehe kann: Der starke Zusammenhalt im Land, der jeden Tag ein bisschen mehr dabei hilft, gestärkt und positiv in die Zukunft zu blicken.
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