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„Lia Nell“: Julia Rosenfellner will sich mit Dialekt-Pop einen Namen machen
Jetzt hat die Sängerin aus Ertl ihre erste EP "Wasserfarben" veröffentlicht!
© Ines Futterknecht
Sie versprüht mit ihren Melodien Good Vibes und regt mit ihren Texten gleichzeitig zum Nachdenken an: Julia Rosenfellner (28), alias Lia Nell, will sich mit Dialekt-Pop-Songs im österreichischen Musikbusiness einen Namen machen.
Julia Rosenfellner alias „Lia Nell“ im Interview
Schon seit sie denken kann, macht Julia Rosenfellner aus Ertl im Mostviertel Musik. Die Tochter einer Musiklehrerin kam bereits als Baby mit Musik in Berührung, denn ihre Mutter hat sie schon in der Trage zu Konzerten mitgenommen. Bereits im Alter von fünf Jahren lernte sie Klavier, später studierte sie Gesang an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Mittlerweile schreibt Julia ihre eigenen Songs und veröffentlichte kürzlich unter dem Namen Lia Nell ihre erste eigene EP mit insgesamt acht Titeln, in denen sie über ernste Themen wie etwa Demenz, aber auch über Lebensfreude und Gelassenheit singt. Wir haben mit der jungen Sängerin über ihre Musik und die Herausforderungen einer Newcomerin gesprochen.
Wie beschreibst du deinen Musikstil?
Also wenn ich es kurz beschreiben soll, sage ich: Dialekt-Pop oder Dialekt-Indie-Pop.
Du nennst dich als Künstlerin Lia Nell – wie ist der Name entstanden?
Naja, ich heiße Julia, und daraus ist Lia entstanden – voll kreativ. (lacht) Und von meinem Nachnamen Rosenfellner kommt Nell. Ich wollte außerdem, dass Lia Nell ein eigenes Ding für sich ist und nicht mich persönlich repräsentiert. Es ist ein Projekt. Da schminke ich mich anders, da ziehe ich mich teilweise anders an, da verhalte ich mich ein bisschen anders. Das heißt nicht, dass das nicht ich bin, aber es ist einfach eine andere Seite von mir, das wollte ich damit auch klar definieren.
Ich trenne grundsätzlich gerne meine Bereiche, und das muss man, finde ich, als Musikerin auch machen, denn es schwappt vieles so schnell ins Privatleben über, weil man zum Beispiel keine fixen Bürozeiten hat. Deswegen habe ich recht schnell gelernt, meine beruflichen und privaten Bereiche sehr klar zu trennen. Darum habe ich mich dazu entschlossen, dass ich einen eigenen Namen nehme. Dann ist es auch leichter, wenn dich jemand kritisiert, denn dann bin das nicht ich, sondern es ist mein Projekt.
Warum hast du dich dazu entschieden, auf Deutsch zu singen?
Am Anfang habe ich nur auf Englisch geschrieben. Damals war ich noch jünger und Deutsch war für mich früher einfach nicht so cool. Dann habe ich aber gemerkt, dass auf Deutsch zu singen viel näher bei einem selbst ist und es bei uns einfach jeder versteht. Es ist natürlich die Muttersprache, klar. Man macht sich dadurch aber auch ein bisschen verletzlicher, denn wenn jetzt jemand sagt: „den Text mag ich nicht“, trifft einen das etwas mehr. Das war die erste Hürde für mich, deswegen habe ich meine Songs zuerst auf Englisch geschrieben. Irgendwie habe ich dann auch gemerkt, ich schreibe einfach nicht so flüssig und nicht so natürlich auf Englisch.
Klar, man versteht es, aber man spricht es einfach nicht jeden Tag und das merkt man extrem beim Schreiben: wie du reimst, wie komplex du eine Geschichte erzählen kannst, wie detailreich du etwas erzählen kannst. Dann habe ich einen Song darüber geschrieben, dass meine Oma an Demenz erkrankt ist – ich habe mich ans Klavier gesetzt und mir ist sofort eine Textzeile auf Deutsch eingefallen und das hat einfach so gepasst. Da habe ich mir gedacht: „Das ist es!“. Ich habe mich sofort wohlgefühlt und gemerkt, ich schreibe auf Deutsch anders, ich schreibe besser.
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Mehr InformationenWie gehst du das Songschreiben an?
Das ist ganz unterschiedlich, da hat jeder seinen eigenen Stil und das verändert sich auch ständig. Bei mir hängt es oft davon ab, wie viel Zeit ich habe. Manchmal mache ich Songwriting-Challenges, bei denen ich 7-9 Tage lang jeden Tag einen Song schreibe. Da spreche ich jetzt nicht unbedingt von einem ganzen Song, sondern zum Beispiel von einem Entwurf, einem Vers oder einem Refrain. Es geht einfach darum, dass man etwas Kreatives macht. Und oft spürt man auch einfach, dass es jetzt Zeit ist, sich hinzusetzen und einen Song zu schreiben. Das lässt sich gar nicht so richtig beschreiben, aber da zieht es mich dann einfach zum Klavier, weil ich gerade ein Thema, eine Person oder etwa einen Konflikt im Kopf habe, den ich beschreiben will.
Oft spürt man einfach, dass es Zeit ist, sich hinzusetzen und einen Song zu schreiben.
Lia Nell
Mit welchen Herausforderungen bist du als Newcomerin konfrontiert?
Das Musikbusiness ist wirklich nicht einfach. Wenn man nicht die richtigen Kontakte hat, ist es oft sehr schwer, gebucht oder im Radio gespielt zu werden. Diese Hürde spüre ich sehr oft. Zusätzlich empfinde ich die ständige Präsenz auf Social Media als herausfordernd und teilweise auch anstrengend. Ich habe oft das Gefühl, dass ich nicht die Menschen erreiche, die meine Musik wirklich interessiert, weil der Algorithmus mich da nicht gut genug pusht. Oft habe ich das Gefühl, dass man in der Fülle von Reels und Posts einfach untergeht.
Du hast kürzlich deine EP „Wasserfarben“ veröffentlicht – um welche Themen geht es darin?
Manche Künstler haben den Anspruch, dass eine EP oder ein Album ein Überthema haben muss. Ich lege jedoch nicht unbedingt Wert darauf, ein Konzeptalbum zu produzieren. Ich finde, das Leben ist komplex und ein Thema so auszuweiten, dass ich zehn Songs darüber schreiben kann, ist mir selbst zu hart. Das muss einfach nicht sein. Die Songs selbst müssen funktionieren, cool sein und auch etwas aussagen. Oder aber einfach – so wie mein Song „Hängemattn“ – pure Freude versprühen.
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Mehr InformationenDu hast also einen Mix geschaffen aus Fun, Emotionen und ernsten Themen, wie zum Beispiel mit „Aufziehpuppal“, worin du klischeehafte Frauenbilder an den Pranger stellst?
Genau! Ich möchte mich jetzt zum Beispiel nicht auf Feminismus beschränken – wobei ich mich schon als Feministin sehen würde, auf jeden Fall! – aber ich finde, es gibt noch mehr im Leben. Und ich finde es immer ein bisschen kritisch, wenn man sich zu sehr auf ein Thema fixiert, denn das Leben ist komplex und vielschichtig.
Der Song „Wasserfarben“ ist sehr persönlich; es geht um Demenz. Was ist die Geschichte dahinter?
Meine Oma wurde 2021 operiert, und danach ging es ziemlich schnell bergab. Sie bekam dann Demenz. Mitzuerleben, wie es ihr geht, wie stark man sich durch die Krankheit verändert und auch den Konflikt der Angehörigen – angefangen von extremer Ratlosigkeit, Überforderung bis hin zu Anspannung und Streit untereinander, weil jeder so überfordert ist – das ist nicht einfach. Speziell Pflege und Frauen daheim in Pflege, sind Themen, die oft untergehen. Den Blick hinter diese geschlossene Tür zu werfen, ist für mich deshalb ganz wichtig. Auch, um diese Arbeit und vor allem die psychische Belastung, die sie mit sich bringt, nicht zu vergessen – nämlich für beide Seiten: sowohl für die Betroffenen als auch für die nächsten Angehörigen.
Es geht in dem Song gar nicht so sehr um mich, sondern eher darum, zu sehen, wie die Situation für meine Eltern, deren Geschwister und Omas Mann, also für und mit der Situation kämpfen. Die emotionale Ebene dahinter wird oft vergessen, und es spricht kaum jemand darüber.
Mit wem würdest du in Zukunft gerne zusammenarbeiten?
Mit wem ich schon lange in Kontakt stehe, sind die Poxrucker Sisters. Ina Regen wäre super, ich glaube, das würde gut passen von der Musik her. Und natürlich auch die Folkshilfe!
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