Zwei Kinder laufen glücklich auf einem schneeigen Weg im Wald mit Haus im Hintergrund und blätterarmen Büschen an den Seiten.

Kindergesundheit: Warum Bewegung Kinder stark fürs Leben macht

Born to move

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Sie springen, klettern, rennen, drehen sich im Kreis – Kinder sind ständig in Bewegung. Und das aus gutem Grund: Bewegung ist weit mehr als nur Muskeltraining – sie ist wichtig für die nachhaltige Kindergesundheit. Sie formt Persönlichkeit, stärkt das Selbstbewusstsein und legt den Grundstein für ein gesundes Leben. Bewegung sollte selbstverständlich sein – doch die Realität in Österreich zeigt ein anderes Bild.

Die alarmierenden Zahlen

Nur etwa ein Viertel der österreichischen Schüler:innen zwischen der 5. und 11. Schulstufe erfüllt die Bewegungsempfehlung von mindestens 60 Minuten Bewegung pro Tag, wie die aktuelle HBSC-Studie zeigt. Noch drastischer: 77,8 Prozent der österreichischen Jugendlichen waren laut WHO-Bericht nicht aktiv genug – wobei Mädchen mit 84,5 Prozent besonders betroffen sind.

Die Zahlen offenbaren ein gesellschaftliches Problem. Über die letzten Jahre stieg die Beschwerdelast bei Schülerinnen und Schülern kontinuierlich – und das hat Folgen: Haltungsschäden, Übergewicht, aber auch psychische Probleme wie Konzentrationsschwierigkeiten und Unruhe nehmen zu.

Hannah König, Geschäftsführerin und Mitgründerin von Stapelstein, bringt es auf den Punkt: „Bewegungsmangel ist nachweislich ein gesellschaftliches Problem. 70 % der Zeit verbringen Kinder im Sitzen – das führt zu Haltungsschäden, Übergewicht, aber auch zu Unruhe, Frustration und Konzentrationsproblemen. Bewegung ist kein ‚Nice-to-have‘, sondern essenziell für eine gesunde Entwicklung.“

Zwei erwachsene und zwei Kinder machen sportliche Übungen in einem hellen Turnraum.
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Bewegung als Motor der Entwicklung

Dass Kinder sich bewegen müssen, ist keine neue Erkenntnis – doch das Warum wird oft unterschätzt. „Bewegung ist die Grundlage kindlicher Entwicklung“, erklärt König. „Sie unterstützt nicht nur die körperliche Gesundheit und Koordination, sondern auch das kognitive Lernen, die Kreativität und das emotionale Wohlbefinden. Kinder lernen durch Bewegung – sie begreifen im wahrsten Sinne des Wortes.“

Die Wissenschaft bestätigt: Kinder, die sich regelmäßig bewegen, sind selbstbewusster, können sich besser konzentrieren und sind psychisch stabiler.

Nicole Lunzer, Vice President of Brand bei woom, ergänzt: „Bewegung ist buchstäblich der Motor einer gesunden Entwicklung. Besonders in den ersten Lebensmonaten und -jahren werden durch Bewegung entscheidende neuronale Verknüpfungen geschaffen. Es stärkt nicht nur Muskeln und Koordination, sondern fördert die Konzentration und baut Stress ab.“

Selbstbewusstsein durch Selbstwirksamkeit

Was passiert, wenn ein Kind zum ersten Mal auf einem Gegenstand balanciert? Oder wenn es zum ersten Mal alleine Radfahren kann? Es erlebt einen magischen Moment der Selbstwirksamkeit – das Gefühl: „Ich kann das!“

„Freie Bewegung schafft Raum für Selbstwirksamkeit: Kinder spüren, dass sie etwas aus eigener Kraft bewirken können“, sagt König. „Beim Spielen mit anderen lernen sie, aufeinander Rücksicht zu nehmen, Kompromisse einzugehen und gemeinsam Regeln zu entwickeln – soziale Fähigkeiten, die sie ein Leben lang begleiten.“

Lunzer beschreibt diese Erfahrung so: „Kinder, die sich bewegen, erleben ständige, kleine Erfolgsmomente. Wenn sie das erste Mal etwas Neues selbst schaffen, sei es das Aufrichten oder das Halten der Balance, erfüllt sie das mit Stolz. Das stärkt ihr Urvertrauen in die eigenen Fähigkeiten.“

Bei woom hat man dafür einen Leitsatz entwickelt: „Falling is not failing“ – Hinfallen ist kein Scheitern. „Diese Erfahrung, hinzufallen, wieder aufzustehen und es erneut zu probieren, ist eine wichtige Lektion für Kinder und hilft ihnen, auch später Herausforderungen mit Selbstvertrauen zu meistern und stärkt ihre Resilienz in jungen Jahren“, erklärt Lunzer.

„Wenn Kinder ihren Eltern davonradeln, spüren sie sofort dieses Gefühl von Freiheit“, schwärmt Lunzer. „Und je älter sie werden, desto mehr wächst auch ihre Welt mit jedem Tritt in die Pedale – motorisch und emotional.“

Kindergesundheit: Was fehlt, wenn Bewegung fehlt

Die HBSC-Studie zeichnet ein besorgniserregendes Bild: 22 Prozent der Mädchen und 10 Prozent der Burschen leiden möglicherweise an einer depressiven Verstimmung oder Depression. Die Lebenszufriedenheit sinkt mit zunehmendem Alter kontinuierlich, und die psychische Beschwerdelast steigt – besonders bei Mädchen ab der 7. Schulstufe.

„Die Basis für viele kognitive Fähigkeiten, wie Konzentration in der Schule, wird durch vielfältige Bewegung in den ersten Lebensjahren gelegt“, warnt Nicole Lunzer. „Fehlt diese, kann es zu Unausgeglichenheit, Konzentrationsproblemen und körperlichen Beschwerden führen. Kinder brauchen Bewegung, um Energie abzubauen und Emotionen zu verarbeiten. Wir sagen gerne, Radfahren ist die Antithese zu Tablet & Co. Es erdet Kinder und bringt sie zurück zu sich selbst.“

Kindergesundheit: Drei Kinder spielen im Schnee
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Bewegung natürlich in den Alltag integrieren

Wie schaffen es Eltern, Bewegung ohne Druck in den Alltag zu integrieren? „Indem sie Räume schaffen, in denen Bewegung erlaubt und erwünscht ist“, empfiehlt Hannah König. „Es braucht keine ständige Animation, sondern vor allem Gelegenheit zur selbstbestimmten und freien, spielerischen Bewegung im Alltag. Da gibt es dann kein Richtig oder Falsch. Und genau diese Freiheit fördert Kreativität, emotionale Intelligenz und ein gesundes Körpergefühl. Kinder dürfen sich als Gestalter ihrer Welt erleben.“

„Bewegung sollte Spaß machen und kein Pflichtprogramm sein“, ergänzt Lunzer. Für ältere Kinder sind es oft die kleinen Rituale, die den Unterschied machen: „Der Weg zum Kindergarten und der Schule mit dem Rad oder ein Spaziergang nach dem Abendessen – entscheidend ist, gemeinsame Momente aktiv zu gestalten, ohne die Leistung in den Vordergrund zu stellen.“

Eltern als Vorbilder für die Kindergesundheit

Kinder lernen durch Nachahmung. König betont: „Wenn Eltern Bewegung selbstverständlich in ihr Leben integrieren – sei es durch Spazierengehen, gemeinsames Balancieren beim Zähneputzen oder dynamisches Sitzen – übernehmen Kinder das Verhalten. Gemeinsame Bewegung stärkt zudem die emotionale Bindung.“

Nicole Lunzer pflichtet bei: „Absolut! Kinder orientieren sich stark am Verhalten ihrer Eltern. Wenn sie sehen, dass Bewegung Freude macht und selbstverständlich zum Alltag gehört, übernehmen sie das ganz automatisch.“

Lernen fürs Leben

Wenn Bewegung ein Schulfach wäre – was sollten Kinder darin lernen? Die beiden Expertinnen haben klare Vorstellungen für eine gute Kindergesundheit.

Hannah König: „Freude an Bewegung, Selbstvertrauen in den eigenen Körper und die Erkenntnis: ‚Ich darf mich bewegen – so wie ich bin, mit meinen Möglichkeiten.‘ Es geht nicht um Leistung, sondern um Ausdruck, Neugier und Körperbewusstsein. Bewegung ist Persönlichkeitsbildung.“

Nicole Lunzer: „Ich würde ihnen beibringen, ihren Körper zu spüren, Freude an Bewegung zu entwickeln und Herausforderungen mit Mut anzugehen, getreu dem Motto ‚Falling is not failing‘. Bewegung ist nicht nur Fitness, sondern auch Kreativität, Problemlösung und Teamgeist. Diese Fähigkeiten begleiten sie ein Leben lang.“

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