
© Moritz Schell
Nein, es ist kein Druckfehler. Der Theatersommer Haag landet mit Molières Komödienklassiker einen deftig-burlesken Coup: Was ist echt und was ist vorgetäuscht bei DER Hypochonderin? Führen auch Einbildungen zur Wahrheit? Wir fragen den Intendanten Christian Dolezal und die wunderbare Ursula Strauss, die uns während der Probenzeit für „Die eingebildete Kranke“ einen ersten Einblick geben …
„Die eingebildete Krank“ – Eine Koproduktion mit dem Landestheater Niederösterreich
Eigentlich begegnen wir in Molières Originalversion dem komisch-tragischen Titelhelden Argan als eingebildeten Kranken. In der Bearbeitung des bekannten Theaterkünstlers Leander Haußmann ist es jedoch die selbstmitleidige Arganne, die mit ihren geldgierigen Ärzten eine für beide Seiten gewinnbringende Symbiose eingeht. Ein alter Stoff in neuem Gewand? Wir dürfen gespannt sein auf die Koproduktion mit dem Landestheater Niederösterreich, die uns auf der spektakulären Tribüne am Haager Hauptplatz ein satirisches Theatervergnügen verspricht. Ein Doppelinterview.
Christian Dolezal, wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem deutschen Starregisseur Leander Haußmann?
Es ist natürlich meine schöne Pflicht als künstlerischer Leiter, immer zu schauen, wie ich dem Erfolg des letzten Jahres noch eines draufsetzen kann und dachte mir, ich frag einfach! Leander Haußmann hatte im Vorjahr den Theatersommer Haag besucht, um die Lage zu begutachten, und er mochte das alles sehr, diesen Hauptplatz, das schöne Städtelein und die Art, wie wir dort leidenschaftlich modernes Theater machen. Und mit Marie Rötzer und ihrem Landestheater Niederösterreich machen wir dieses herrliche Projekt jetzt „einfach“ – mit vereinten Kräften.
In der aktuellen Inszenierung kommt es zu einem Rollentausch, warum?
C.D.: Wenn wir den Luxus haben, eine Schauspielerin, wie Ursula Strauss an Board zu haben, brauchen wir natürlich eine Rolle, die sie reizt. Und eine Frau, die diese männlichen Eigenschaften wie die enorme Wehleidigkeit, erhöht das Gaudium. Ich muss auf den Proben jetzt schon herzlich lachen…
Ursula, du spielst die „Anti-Heldin“ Arganne, wie geht’s dir in dieser Rolle?
Ursula Strauss: Ich bin gerade dabei, die Figur kennenzulernen und habe viel Spaß daran herauszufinden, wann und warum sich Frau Argan, wie sie bei uns heißt, in die Schwäche begibt.
Wie gelingt es, in der modernen Adaption die Balance zwischen Komik und Ernst zu finden?
C.D.: Es ist so, dass Komik nur aus einer überhöhten Ernsthaftigkeit entsteht. Je größer die Not, desto lustiger wird’s fürs Publikum. Es soll sich das Lachen mit dem Gerührtsein abwechseln
Ursula, ist es schwer, Sprache und Humor des Stücks für ein heutiges Publikum lebendig zu machen?
U.S.: Wir spielen ja nicht Molières Stück wortgenau, sondern eine von Leander Haußmann bearbeitete Fassung, die schon versucht, eine Brücke zu unserer jetzigen Zeit zu schlagen. Leander hat eine Überarbeitung des Originaltextes geschrieben, die sowohl sprachlich als auch stilistisch ein zeitgemäßes Gewand trägt. Bis jetzt klappt das sehr gut und wir arbeiten mit Freude an diesem Text.
Zum aktuellen Bezug: sagt die übertriebene Angst vor Krankheit auch etwas über unsere heutige Gesellschaft aus?
U.S.: Das denke ich schon. Molière hat zu seiner Zeit das Stück als Kritik an den geldgierigen Ärzten und am menschenverachtenden Gesundheitswesen geschrieben – und es hat sich bis in die Gegenwart nicht viel verändert. Wie viele Menschen leiden an Burnout? Wie viele Menschen haben mittlerweile das Gefühl, dass, wenn sie zum Arzt gehen, sie den Gegenwert von einem Kleinwagen auf dem Konto haben müssen? Das Zweiklassensystem von privaten und gesetzlichen Krankenkassen weitet die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter aus. In unsere Zeit übersetzt, in der so vieles verschoben oder auch sehr oberflächlich betrachtet wird, in der wir mit sozialer Ungerechtigkeit kämpfen, in der politische und gesellschaftliche Überforderung Mittel der Politik, aber auch der Industrie sind, in der eine seltsame Wissenschaftsfeindlichkeit sich ausbreitet und Fakenews uns mental und sozial bekämpfen, ist es doch ein sehr zeitgemäßes Stück. Absurderweise ist Molière – während er die Rolle des Argan gespielt hat – auf der Bühne vor Erschöpfung zusammengebrochen und wenig später an Tuberkulose gestorben.
Ja, Molière erlitt in seiner vierten Aufführung von „Le Malade imaginaire“ am 17. Februar 1673 auf der Bühne einen Blutsturz und verstarb noch im Kostüm. Eine tragische Pointe, die wohl nur eine höhere Instanz schreiben kann….
C.D.: JA, in der Tat! Aber ich bin guter Dinge, dass Ursula auch noch die letzte Vorstellung mit hohem Wohlbefinden spielt…
Theatersommer Haag
25. Juni bis 2. August 2025
Infos auf www.theatersommer.at
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