© Elsa Okazaki

Für alle, die Veränderung wollen

Mit Feminismus die Welt retten: Die niederösterreichische Filmemacherin Katharina Mückstein schuf mit charismatischen Mitwirkenden einen Film gegen Gewalt und für ein solidarisches Miteinander.

4 Min.

Studien zeigen, dass Erwachsene ihr Spielverhalten anpassen, je nachdem, welchem Geschlecht sie ein Kind zuordnen. Wenn sie es für ein Mädchen halten, wählen sie spontan Spiele zu Themen wie Beziehung, Heim, Familie und Schönheit. Wenn sie denken, es sei ein Bub, stehen Bewegung, Technik, Logik im Vordergrund. Es soll hier nicht gespoilert werden, nur so viel: Katharina Mückstein bettet in ihrem neuen Film diese Erkenntnisse in pointierte Experimente, die man nicht so schnell vergisst. Farbkräftige Bilder, Tanz, Musik und ein unüberhörbar lauter Titel tragen das Ihre bei: „Feminism WTF“ startet im März in den Kinos; wir sahen den Film vorab und sprachen mit der Filmemacherin über ihre Doku und über eine Utopie, die sie mit dieser Arbeit wahr werden ließ.

„Setz dich hin und sei leise“

NIEDERÖSTERREICHERIN: Wie begegnest du Menschen, die mit den Augen rollen, wenn sie Feminismus hören?
Katharina Mückstein: Einerseits habe ich Verständnis dafür, weil der Antifeminismus genauso alt ist wie der Feminismus. Als die erste Frau gesagt hat, sie fühlt sich ungerecht behandelt, haben die anderen gesagt: Setz dich hin und sei leise. Die Überzeugung, dass Feministinnen humorlose, frigide, hässliche Personen sind, haben wir alle verinnerlicht. Das soll es erschweren, sich zu wehren, wenn man hört: Wenn du dich auflehnst, bist du unattraktiv, nicht liebenswert und wirst ausgeschlossen. Andererseits: Wo wären wir ohne die feministischen Bewegungen? Es wird gerne übersehen, wie viele persönliche Freiheiten für unsere Gesellschaft erkämpft wurden, wie wertvoll die emanzipatorische Denkschule ist. Trotzdem gibt es noch immer Ungerechtigkeit und ständig Bestrebungen, feministische Errungenschaften rückgängig zu machen, wie in den USA das Recht auf körperliche Selbstbestimmung.

Die Idee zum Film hattest du vor acht Jahren mit der Journalistin Ina Freudenschuß. Was war euer Beweggrund?
Wir waren darüber verärgert, dass damals feministische Themen in den meisten Medien ohne Fachleute verhandelt wurden, und zwar so, als ginge es um einen Kampf Frauen gegen Männer. Das hat sich ein bisschen verändert.Ich wollte einen Film machen, der auf einer optimistischen, selbstbewussten Art erzählt, was Feminismus alles ist. Es geht um ein Konzept, das sich aus Liebe und dem Blick auf Verletzlichkeit speist und der Überzeugung, dass es sich lohnt, für die Schwächeren zu kämpfen. Ein Vorurteil ist, dass Feministinnen lustfeindlich sind. Sie waren es, die die sexuelle Revolution angestoßen haben.

Die Soziologin Laura Wiesböck, die Politik-Professorin Nikita Dhawan oder Christoph May vom Institut für kritische Männerforschung sind nur einige der charismatischen Mitwirkenden. Nach welchen Aspekten hast du sie ausgewählt?
Ich habe einen bunten Blumenstrauß an Personen gesucht, die Lust hatten, aus ihrer Forschung so zu erzählen, dass das möglichst viele Leute verstehen und es trotzdem nicht banal wird. Dabei zeigen sie sich auch stark als Menschen, und man kriegt ihren Humor mit.

Genussvoll fürs Auge

Die Doku bewegt und ist auch genussvoll fürs Auge. Was steckt dahinter?
Ich wollte auch zeigen, dass die Auseinandersetzung mit feministischen Themen auch in der Kunst, im Aktivismus und in der Beziehung stattfindet. Gleichzeitig wollte ich Ebenen schaffen, die an Spielfilme oder Musikvideos erinnern, wo man mehr spürt als denkt.

Viel Arbeit liegt hinter euch. Gab es auch Momente der Verzweiflung?
Ich hatte einen Tiefpunkt: der Anfang der Pandemie. Ich wollte den Film auf Englisch machen, um ihn leichter international zu positionieren; ich hatte Experts aus Großbritannien, den USA und Australien, wir haben bereits gedreht. Mit der Pandemie war es mit dem Reisen vorbei, das Konzept funktionierte nicht mehr. Es kam der Punkt, als wir beschließen mussten: Wir fangen noch einmal an, suchen Leute aus dem deutschsprachigen Raum. Das war schließlich ein großes Geschenk, viele neue geniale Menschen kennenzulernen; das Projekt trug mich durch die Pandemie.

Ich wollte einen Film machen, der auf optimistische Art erzählt, was Feminismus alles ist.

Katharina Mückstein, Filmemacherin

Elsa Okazaki fotografierte dich mit dem Baseballschläger, die Frauen am Plakat sind bewaffnet. Braucht es das?
Seit ich ein Teenager war, bin ich Feministin. Die Leute hatten deswegen immer ein Bild von mir, das überhaupt nicht zutrifft. Da fand ich es lustig, mit der Frage zu spielen: Wer hat Angst vor der Feministin mit dem Baseballschläger? Wir wachsen als Mädchen in der Überzeugung auf, dass wir Angst haben müssen, leider auch zu Recht. Das macht uns klein und schwach. Aber mich zu verteidigen, gegen das System zu kämpfen, gibt mir viel Energie. So entstand die Idee, gemeinsam bewaffnet und Ketten rasselnd dem Patriarchat entgegenzutreten – mit einem Augenzwinkern.

Für wen hast du den Film gemacht?
Für alle, die spüren, dass sich was verändern soll, aber vielleicht noch nicht genau wissen, wie.

Kinostart. Katharina Mücksteins Kinodokumentarfilm „Feminism WTF“ feiert Mitte März beim CPH:DOX (Copenhagen International Documentary Film Festival) Weltpremiere und bei der Diagonale 23 in Graz die Österreich-Premiere. Offizieller Kinostart ist am 31. März 2023. Hier geht’s zum Trailer.

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