Auszeithof: Tiergeschützte Therapie mit Alpakas

Heilsame Ort der Begegnung

6 Min.

Der Hof ist seit 1876 im Besitz ihrer Familie, heute leben hier auch zwei Alpaka-Herden. © Auszeithof/Privat

Nach 36 Jahren kehrte Barbara Enk an den Hof ihrer Kindheit in St. Aegyd am Neuwalde zurück und errichtete dort als Bäuerin und Psychotherapeutin ihren Auszeithof. Dieser heilsame Ort der Begegnung, an dem die Natur und die Tiere eine besondere Rolle spielen, wurde nun mit der Green Care-Hoftafel ausgezeichnet.

Die Gründung des Auszeithofes

Sie sind gelernte Dipl. Krankenschwester und seit 2009 als Psychotherapeutin im Palliativteam des Landesklinikums Lilienfeld sowie in ihrer eigenen Praxis tätig. Was kam es zur Gründung des Auszeithofes?
In der Mitte des Lebens einen Bauernhof zur Erhaltung zu bekommen, ist eine große Ehre und Herausforderung! Ich hatte mir alles aufgebaut, was mir wichtig war. Mein geliebtes Häuschen im Wiesenbach hatte ich fein renoviert und dort als alleinerziehende Mutter meine Tochter groß gezogen.

Seit 2017 lebten rund um das Haus meine Alpakas, ich absolvierte einen Lehrgang in Tiergestützer Therapie und verlegte, nach zehn Jahren Praxis in St. Pölten, meinen Arbeitsplatz dort hin. Meine KlientInnen liebten diesen Ort ebenso und ich konnte mir nicht vorstellen ihn jemals zu verlassen.

DREI GENERATIONEN. Barbara Enk mit Tochter Viktoria Enkmann und Enkelsohn Erasmus. © Auszeithof/Privat

Welche Menschen kommen zu Ihnen auf den Hof?
Einerseits kommen Gäste, die ein Zimmer bei mir reservieren, um Urlaub zu machen, wandern zu gehen, die Schönheit der Natur zu genießen oder einfach Zeit mit den Alpakas, den Katzen, beim Fischteich oder im Wald zu verbringen. Vorbeugen ist besser als heilen! Dann gibt es jene, die sich bewusst eine Auszeit gönne, weil sie z.B. gerade eine Trennung hinter sich haben, einen nahestehenden Menschen verloren haben, an einem Buch schreiben, sich zwischen Chemotherapiezyklen erholen möchten, Neuorientierung suchen oder sehr erschöpft sind.

„Wwoofer“ finden bei mir eine Möglichkeit gegen Kost und Logis am Hof mitzuarbeiten, während die Camper über „Schau aufs Land“ eine Nacht am Auszeithof verbringen und statt Bezahlung selbstgemachte Alpakaprodukte, Säfte oder Forellen einkaufen, oder einen Alpakaspaziergang buchen. Sehr beliebt sind auch die Workshops, wie Filzen, Spinnen, Kreatives Schreiben, oder Nia bei Alpakas, ein ganzheitliches Bewegungsangebot.

Außerdem gibt es explizit gesundheitsfördernde Angebote für Menschen mit unterschiedlichen Belastungen, wo Betroffene mehrere Tage am Hof schlafen und von mir begleitet werden. Diese richten sich zum Beispiel an Teilnehmer mit Burnoutgefährdung, Krebserkrankungen oder Long Covid.

Routine am hof

Ein Tag auf Ihrem Hof?
Mein Tag beginnt meistens um 5 Uhr morgens. Bezüglich Tagwache gibt es ein unausgesprochenes Duell, bzw. Triell zwischen meiner 83-jährigen Tante Karla, die gegenüber wohnt, meinem Hahn Konrad und mir – wo ich meist Dritte bin (lacht). Aber jenseits der 50 steht man da drüber! Ich beginne also den Tag mit Einheizen, auch im Sommer für das Warmwasser, gehe dann barfuß durch die taunasse Wiese zum Fischteich, um die Fische zu füttern und nehme meine Yogamatte mit, um bei der aufgehenden Sonne acht Sonnengrüße am Steg zu machen.

Nach dem Gießen der Pflanzen und dem Füttern der Hühner und Katzen, mache ich dem alten Nachbarn Karl ein Grießkoch und am Rückweg besuche ich meine beiden Alpkaherden, schaue nach, ob alle wohlauf sind, bringe ihnen Futter und mache die Ställe sauber. Nach dem Frühstück ziehe ich mich um und wechsle von der Bäuerin in die Rolle der Psychotherapeutin. Dann geht es in meiner Praxis oder auf der Palliativstation weiter, wo ich für Menschen mit unterschiedlichsten Nöten da bin. Abends noch eine Hofrunde und vor dem Schlafengehen noch ein bisserl Sternderlschauen in der Hängematte.

verschiedene Therapien

In der tiergestützten Therapie spielen Alpakas, die „Delphine der Weide“, als Co-Therapeuten eine besondere Rolle…
Ja, denn Alpakas sind klug und sehr feinfühlig. Als Fluchttiere liegt es in ihrer Natur, dass sie ängstlich sind, ihre Umgebung stets genau beobachten und unmittelbar auf diese reagieren. Durch ihre Sanftheit und ihr Bedürfnis nach Distanz, sind sie ideal für Menschen, die sich schwer tun mit anderen Lebewesen in Kontakt zu gehen. Mit Alpakas nonverbal zu kommunizieren, ist für ängstliche Menschen viel weniger bedrohlich, als mit anderen Menschen. Auch die Regulierung von Nähe und Distanz oder Grenzen setzen, sind Themen, die mit Hilfe der Alpakas besser bearbeitet werden können, als in der Praxis.

MEDITATIV. Am Spinnrad werden neben der Alpakawolle auch gute Gedanken gesponnen. © Auszeithof/Privat

Verspinnen Sie ihre Wolle?
Die ganz gute Wolle vom Rücken verspinne ich zu Strickwolle. Spinnen ist eine wunderbar meditative Tätigkeit, die bei mir in Workshops auch erlernt werden kann. Aus der mittleren Qualität lasse ich Decken und Pölster fertigen und die etwas kürzere Wolle von den Beinen wird mit Schafwolle gemischt und gefilzt. Daraus entstehen Sitzauflagen, Yogamatten, Taschen, Schuheinlagen usw.

GREEN CARE-HOFTAFELVERLEIHUNG

Was bedeutet Ihnen die Green Care-Hoftafel?
Es ist eine Möglichkeit sichtbar zu machen, dass auf meinem Auszeithof Landwirtschaft und Gesundheitsförderung ineinander fließen.

GREEN CARE-HOFTAFELVERLEIHUNG. Projektleiter von Green Care Josef Hainfellner, Vizepräsidentin LK NÖ AndreaWagner, Barbara Enk, GF Green Care Österreich Günther Mayerl, Dominik Mühlbacher von Green Care Wald. © Victoria Enkmann

Im Rahmen des Festaktes zur Hoftafelverleihung hielt der Philosoph und Krankenpfleger Patrick Schuchter einen Vortrag zu den Fragen nach einem „Guten LandLeben“ im 21. Jahrhundert. Er stellte dabei den „Sorgebegriff“ in den Vordergrund…
Erst da wurde mir bewusst, dass „Care“ die verbindende Klammer zwischen Palliativ Care und Green Care darstellt. Sein Vortrag hat viele Zuhörer tief berührt, weil er in Worte fassen konnte, was viele Menschen, die tagaus tagein Sorgetätigkeiten – egal, ob für Menschen, Tiere oder Pflanzen – ausüben, tief in ihrem Inneren spüren. Nämlich, dass gerade diese – in unserem neoliberalen Zeitalter sehr oft abgewerteten Tätigkeiten – die eigentliche Essenz des Menschseins darstellen.

Ihr Motto lautet „einfach.leben“ – welche Zutaten braucht es dafür?
Ein Dach über dem Kopf, naturbelassene Lebensmittel, sinnvolle Tätigkeiten, Heiterkeit und bereichernde Begegnungen mit anderen Menschen und Tieren.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihres Auszeithofes?
Für die nähere Zukunft viele beglückende, gemeinsame Spinnstunden, wo neben Wolle auch gute Gedanken gesponnen werden und einen weiteren Ausbau der gesundheitsfördernden Angebote. Und für die fernere Zukunft, dass nach mir noch viele andere Menschen Freude an diesem wunderbaren 500 Jahre alten Hof finden mögen.

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