Unternehmerin Julia Wögerer

Eine Frage der Balance: Unternehmerin Julia Wögerer im Interview

Ein Gespräch über die Herausforderungen als Unternehmerin, Ehefrau und Mutter.

7 Min.

© Privat

Sie war erst 20 Jahre alt, als sie von ihrem Vater Heinrich das traditionsreiche Mistelbacher Familienunternehmen Heinrich Tretter KG übernommen hat: Julia Wögerer, die sich seit nunmehr 17 Jahren höchst erfolgreich in der männerdominierten Holzbranche behauptet. Ein Gespräch über die Herausforderungen als Unternehmerin, Ehefrau und Mutter – abseits des Lebens einer Businessfrau in High-Heels.

Julia Wögerer über die Herausforderungen einer Unternehmerin

Bereits 1781 war die Firma Tretter als k.u.k. Wagner und Brennstoffhändler in Mistelbach angesiedelt. Was folgt, ist die Geschichte tatkräftiger Männer, die untrennbar mit der Region verbunden blieben – bis die Kriegszeit ihren Tribut forderte und der Sohn nicht mehr zurückkehrte. Und so stand erstmals eine Frau, Maria Libal, geborene Tretter, dem Säge- und Hobelwerk als neue Chefin vor. Mit der Übernahme von Julia Wögerer, geborene Libal, als Geschäftsleiterin wiederholt sich nun die Frauenpower im Traditionsbetrieb, welcher bereits auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit setzte, als dies noch kein Trend-Thema war. So versorgt Tretter seit dem Jahr 2004 die Mistelbacher mit Fernwärme.  

Julia, wie kann man mit nur 20 Jahren einen männerdominierten Betrieb dieser Größe, spezialisiert auf Sägewerk, Rundholzhandel, Hobelwerk und Fernwärmeversorgung übernehmen?

Mit einem engagierten Team, hoher Resilienz und einer Portion Humor ist vieles möglich. Der Anfang war jedoch alles andere als leicht. Sich mit gerade einmal 20 Jahren in dieser Branche und in der Unternehmerinnenrolle zurechtzufinden, war eine Herausforderung, die vor allem eines brauchte: Gespür. Gespür dafür, wo der eigene Platz in der Firma ist, wie man sich Gehör verschafft und zugleich das Vertrauen des Teams gewinnt. Der Wille und ein arbeitsames Bestreben sind die Grundpfeiler, die Großartiges hervorbringen können. Leistung und Engagement sind der Schlüssel – aber vor allem auch das Vorleben. Meiner Meinung nach ist das einer der wichtigsten Bestandteile des Unternehmertums: selbst mit anzupacken, sich nicht zu schade zu sein, die Ärmel hochzukrempeln, und präsent zu sein – sei es im Büro, im Sägewerk oder beim Arbeitsbeginn. Nur so gewinnt man das Vertrauen des Teams und zeigt, dass man nicht nur führt, sondern auch Teil des Ganzen ist.

Sie haben sehr jung geheiratet, 2010 wurde Ihr Sohn Philip geboren. Wie ließ sich das Leben einer jungen Ehefrau und Mutter mit dieser herausfordernden Aufgabe verbinden?

Wenn Sie mich das fragen, fällt es mir selbst schwer, eine klare Antwort zu finden, denn ich bin oft erstaunt, wie ich das alles geschafft habe. Vor allem, wenn ich daran denke, dass ich zu Beginn keine Unterstützung im Büro hatte und jede Korrespondenz, jede Überweisung und jede Rechnung direkt von meinem Schreibtisch bearbeitet wurde. Die Verbindung zwischen meiner Rolle als junge Ehefrau, Mutter und Unternehmerin war nur durch Disziplin und eine rigorose Zeiteinteilung möglich. Es blieb einfach keine Zeit für Selbstmitleid – und so ging diese schlafraubende Phase irgendwann vorbei. Für mich war immer entscheidend, mir selbst klarzumachen, was ich wirklich will. Ich wollte jung Mutter sein und mich selbst um meinen Sohn kümmern. Mutterschutz oder Karenzzeit hatte ich nicht. Philip war die ersten zweieinhalb Jahre jeden Tag mit mir im Büro. Das war nicht immer einfach, aber es waren auch unglaublich prägende und wertvolle Zeiten.

Unternehmerin Julia Wögerer mit Familie
© Privat

Also auch eine Frage der Prioritäten?

Ja! Mein Sohn hatte und hat die höchste Priorität. Auch wenn das Unternehmen wichtig ist, das Leben ist wichtiger. Selbst wenn das Firmentelefon läutete und Philip zeitgleich weinte, habe ich mich immer für ihn entschieden. Ich glaube, es ist entscheidend, sich eigene Spielregeln aufzustellen und diese konsequent zu verfolgen. So kann man auch große Herausforderungen meistern, ohne sich selbst oder das Wesentliche aus den Augen zu verlieren.

Ihr Mann ist als Berufsoffizier häufig im Auslandseinsatz. Wie schwer ist es, alleine die Verantwortung für Familie und Betrieb zu tragen?

In meiner Ausbildung zur Psychotherapeutin scherze ich oft, dass mein einzig wahrer Therapeut all die Jahre mein Mann war. Mit seiner Geduld, seiner unerschütterlichen Loyalität und der Fähigkeit, mir in schwierigen Momenten Halt zu geben, hat er mich immer wieder gestärkt. Mein Vater war mir ebenfalls eine große Stütze, gerade in der Anfangszeit, als ich noch grün hinter den Ohren war. Von ihm habe ich viel gelernt, vor allem, dass man sich Unterstützung holen muss, wenn man wachsen will. Ich habe irgendwann akzeptiert, dass ab einer gewissen Firmengröße nicht alles alleine handelbar ist – eine Erkenntnis, die mir später auch im Privatleben geholfen hat.

An alle Powerfrauen da draußen, die täglich so viel auf ihren Schultern tragen – von Care-Arbeit bis zu beruflichen Herausforderungen: Achtet auf eure Ressourcen!

Julia Wögerer

Während Frauen in Verwaltung und öffentlichem Dienst längst Fuß gefasst haben, bleiben Gewerbe und Industrie oft fest in Männerhand. Welchen Rat möchten Sie als eine der „Pionierinnen“ anderen Frauen geben? 

An alle Powerfrauen da draußen, die täglich so viel auf ihren Schultern tragen – von Care-Arbeit bis zu beruflichen Herausforderungen: Achtet auf eure Ressourcen! Ich sehe immer wieder Unternehmerinnen, die in ihren Vierzigern ausgebrannt sind, weil sie alles alleine stemmen wollen. Lasst uns das anders machen! Teilt Verantwortung, bittet um Unterstützung, gönnt euch Pausen und schafft bewusst Zeit für Dinge, die euch guttun. Die wahre Kunst ist nicht, ein Unternehmen für ein paar Jahre zu führen, sondern es über Generationen hinweg erfolgreich zu gestalten. Dafür braucht es nicht nur strategisches Geschick, sondern auch einen gesunden Geist und Körper. Achtet auf Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und genug Erholung – denn nur, wenn wir auf uns selbst achten, haben wir die Energie, all unsere Aufgaben mit Freude zu meistern. Nachhaltiger Erfolg beginnt bei uns selbst.

Sie führen sozusagen „daneben“ auch die Libal KG, die im Rauchfangkehrergewerbe sowie in der Lüftungsreinigung tätig ist. 

Ja, gemeinsam mit meinem Geschäftspartner Christian Martinek, einem erfahrenen Rauchfangkehr- und Lüftungstechnikmeister mit beeindruckendem Fachwissen. Ich bin sehr dankbar für diese hervorragende Zusammenarbeit, die durch gegenseitiges Vertrauen und Expertise getragen wird. In der Libal KG betreuen wir rund 6.000 Kunden mit hochwertigen Dienstleistungen, die von klassischen Rauchfangkehrarbeiten bis hin zu modernen Lüftungsreinigungen reichen. Besonders stolz sind wir auf unsere jüngste Sparte „Air Solution“, die sich auf die Reinigung und Wartung von raumlufttechnischen Anlagen spezialisiert hat – darunter bedeutende Projekte wie das Landesklinikum Mistelbach oder die Universitätsklinik St. Pölten. Es ist ein Unternehmen, das Tradition und Innovation erfolgreich miteinander verbindet, und ich bin froh, Teil dieses großartigen Teams zu sein.

Vor kurzem haben Sie eine eigene Unternehmensberatung gegründet, und absolvieren berufsbegleitend ein Studium im Fach Psychotherapie. Warum?

Weil Unternehmertum und mentale Gesundheit eng miteinander verbunden sind. Ich möchte dazu beitragen, die Tabus rund um psychische Gesundheit zu brechen. Sätze wie „Was, DU gehst zum Coaching/zur Therapeutin?“ sollten nicht mehr mit Negativität behaftet sein. Vielmehr sollte es als selbstverständlich und positiv angesehen werden, Psychohygiene zu betreiben – genauso wie man zum Sport geht oder sich gesund ernährt. Ich appelliere an alle: Scheut euch nicht, euch professionell auszutauschen – sei es durch Coaching oder Psychotherapie. Es tut unglaublich gut, offen über die eigenen Sorgen, Ärgernisse und Herausforderungen zu sprechen.

Ein professionelles Coaching kann nicht nur organisatorische Grundprobleme lösen, sondern auch helfen, private Themen gezielt anzugehen. Es geht darum, Klarheit zu schaffen, sich selbst besser zu verstehen und gestärkt aus jeder Situation hervorzugehen. Sich Unterstützung zu holen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke und Weitsicht. Leider kommen viele Menschen erst dann, wenn sie bereits überlastet oder ausgebrannt sind. Mein Ziel ist es, dass psychische Gesundheit proaktiv angegangen wird, ohne Scham oder Angst. Denn Prävention ist der Schlüssel zu einem nachhaltigen, gesunden Leben, privat und beruflich. Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass man selbst die größten Hürden bewältigen kann, genau das möchte ich anderen vermitteln. Jeder hat die Fähigkeit, Stärke und Resilienz in sich zu entdecken, und ich möchte dabei helfen, diese zu entfalten.

Ihr Sohn ist jetzt 14 Jahre, was wünschen Sie der nächsten Generation?

Mein größter Wunsch für die nächste Generation – und natürlich für meinen Sohn – ist, dass sie eine Portion Glück, Zufriedenheit und vor allem Gesundheit mit auf ihren Lebensweg bekommt. Ich wünsche mir, dass sie den Mut hat, das zu tun, wofür sie wirklich brennt, und dabei ihre eigenen Stärken und Träume verwirklicht. Denn echte Erfüllung entsteht, wenn man das macht, was einen begeistert, und dabei auch auf sich selbst achtet.

Nähere Infos unter:
www.julia-woegerer.at
www.holz-tretter.at 

_____________

Das könnte dich auch interessieren:

Abo

Wählen Sie Ihr persönliches Abo aus

×