Die Unternehmensflüsterin

Mit ihrer Methode „Leading Alpha“ gilt Dr. Elisabeth Proksch seit 20 Jahren als Pionierin im europäischen Raum, wenn es um wirksame und effektive Führung in Unternehmen geht.

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© Marian Inhouse Agentur

Die studierte Sportmanagerin und Unternehmensberaterin aus dem Wienerwald war selbst jahrelang als Führungskraft in der Finanzwirtschaft tätig. Privat gilt ihre Liebe als passionierte Dressurreiterin den Pferden. Aus der Beobachtung der Alphatiere in einer Pferdeherde erarbeitete sie gemeinsam mit einem Team aus einschlägigen Psychologen eine Methode, die als Leading Alpha so inspirierend wie logisch klingt: Am Beispiel von Pferdeherden zeigt Proksch auf, wie wichtig weibliche und männliche Führungsqualitäten innerhalb von Organisationen und Teams sind, um Wachstum und Fortbestand zu sichern. 2019 erschien dazu ihr Buch „Das Excalibur-Prinzip“. Ihr Wissen und ihre Erfahrung gibt sie als Vortragende, Keynote Speaker und Lehrbeauftragte mit viel Begeisterung weiter. Unternehmen wie Rewe, Chanel Österreich oder die Murexin Group setzen Elisabeth Prokschs Methodik bereits um.

Elisabeth, das System Leitstute und Hengst in einer Herde – was können Führungspersönlichkeiten aus ihrem Verhalten lernen?
Elisabeth Proksch: Pferde zeigen uns in einer sehr klaren und natürlichen Art und Weise, dass es weibliche und männliche Führungsqualitäten in Systemen wie einer Herde, einer Organisation oder einem Unternehmen braucht, um gut und erfolgreich fortzubestehen, zu überleben sowie zu wachsen. Es braucht also die Herangehensweisen beider Geschlechter: Die Leittiere einer Pferdeherde teilen sich Führungsaufgaben klar auf, auch nach Geschlecht. Der Leithengst ist verantwortlich für die Verteidigung der äußeren Grenzen, also Gefahren wie Raubtiere oder die Übernahme eines anderen Hengstes, sowie für die Fortpflanzung und das Wachstum. Die Leitstute ist verantwortlich für die inneren Strukturen und Spielregeln in einer Herde. Bei Missachtung von Regeln oder Strukturen setzt sie Konsequenzen. Sie führt die Herde zu Futterstellen und Wasserlöchern, sucht sichere Plätze für die Nacht sowie bei Unwettern. Sie entscheidet auch, wann kranke Tier zurückgelassen werden.

Auf Führungsaufgaben „übersetzt“ heißt das?
Eine Organisation hat geschlechterspezifische Qualitäten nicht durch Geschlechter zu besetzen, sondern dafür zu sorgen, dass Führungspersonen am Hebel sitzen, die weibliche und männliche Qualitäten gleichermaßen in einer Person vereinen. Tatsache ist allerdings, dass weibliche Führungsqualitäten stark unterrepräsentiert sind. Das erzeugt einen Schiefstand und lässt Unternehmen langfristig scheitern. Eine Gegenmaßnahme aus der weiblichen Seite kann sein, unternehmensinterne Maßnahmen zu setzen und dafür das Wachstum zeitweise stagnieren zu lassen.

COACHING mit der Bodenarbeit © Marian Inhouse Agentur

Sind Pferde die besseren Feedbackgeber für menschliches Führungsverhalten?
Ja! Pferde sind Fluchttiere und somit noch sensitiver auf verbale und non-verbale Sprache ausgerichtet. Sie sind mit ihrem Fokus nur in der Gegenwart und spiegeln uns ehrlich, was genau gerade in einer Situation los ist. Sie verstellen sich nie. Das gibt uns die Chance, im Moment unser Verhalten zu verändern und zu lernen.

Zur Geschlechterfrage: Neue Studien wie „Women in Leadership“ von IBM zeigen, dass von Frauen traditionell weibliche Führungsqualitäten erwartet werden, sie aber an traditionell männlichen gemessen werden. Welche Folgen hat dieser Schiefstand langfristig?
Wir brauchen Führungspersonen, die weibliche und männliche Qualitäten entwickelt haben und diese auch nutzen. Ganze Prozent der notwendigen Qualitäten zu vernachlässigen, führt zu Misserfolgen, Rückgang von Erträgen und Gewinnen und oftmals auch zu wirtschaftlichem Niedergang. Diese Einsicht fehlt bis heute, und somit konnten und können sich nach wie vor Frauen – und Männer –, die weibliche Führungsqualitäten verstärkt einbringen wollen, nicht in den Führungsebenen durchsetzen. Spannend auch: In meinen ganzen Jahren Erfahrung beobachte ich, dass Männer mit weiblichen Führungsqualitäten tendenziell gar nicht in die Führung kommen. Es ist zwar eine Tendenz in die richtige Richtung zu bemerken und auch ein Bemühen da, aber wenn man die höchsten Führungsebenen oder auch die Zusammensetzung von Aufsichtsratsgremien betrachtet, sehen wir ein deutliches Ungleichgewicht in der Ausgewogenheit der Qualitäten und im Geschlecht.

Weibliche Führungsqualitäten sind also immer noch unterrepräsentiert. Welchen Preis zahlen Unternehmen, die bewusst auf männliche Führungsqualitäten setzen?
Der Preis ist fehlender nachhaltiger und dauerhafter Erfolg gepaart mit fehlender Effizienz, Freude am Tun und Leichtigkeit. Die Frage ist nur, wie messen wir Erfolg? Ist das immer nur der Gewinn, das Wachstum oder Steigerung der Marktanteile? Meiner Meinung nach nicht, wir sollten vielmehr auf die ausgewogene Balance und langfristige Vorausschau und Planung blicken. Es wäre doch mutig von einem Unternehmen, zum Beispiel die Kennzahl Mitarbeiterbindung in einer oder mehreren Perioden wichtiger zu nehmen als die Gewinnsteigerung. In zwei bis drei Jahren hätten diese Unternehmen einen enormen Wettbewerbsvorteil.

FÜHRUNGSKRÄFTE-FIT. Die Arbeit im Seminarraum und mit den Pferden teilt sich zu 50 Prozent auf. © Marian Inhouse Agentur

Wir befinden uns in einem Wandel am Arbeitsmarkt. Kann es sein, dass Unternehmen bei der Wahl der Führungsqualitäten zu engstirnig agieren?
Es ist ein Wunsch in die richtige Richtung zu bemerken, er steckt aber noch in den Kinderschuhen. Es fehlt oftmals noch der Mut in den Führungsriegen, wirklich deutliche Veränderungen vorzunehmen, auf Reflexionsarbeit zu bestehen. Führung ist längst nicht nur eine Frage von Technik, sondern vielmehr von emotionaler „Intelligenz“: Die kann man vermitteln und lernen, weshalb ich überzeugt bin, dass Persönlichkeitsentwicklung und die Auseinandersetzung mit zukunftsfähigen Führungsqualitäten schon in den Hochschulen, Ausbildungsstätten von jungen Menschen beginnen.

Abseits vom Seminarraum arbeiten Sie als Coach mit echten Pferden. Gibt es da Berührungsängste, oder wie darf man sich das vorstellen?
Unsere Workshops mit Pferden finden in unterschiedlichen Settings statt, meistens zweitägig. In diesen zwei Tagen arbeiten wir 50 Prozent der Zeit mit den Pferden und 50 Prozent im Seminarraum. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erleben reale Führungssituationen mit unseren Pferden. In diesen Aufgaben wird nicht geritten, die Aufgaben finden am Boden in Augenhöhe statt. Es werden Stärken und Potenziale in der Pferdearbeit aufgezeigt. Durch das Training der Potenziale im persönlichen Führungsverhalten wird die Klaviatur der Handlungsoptionen im Führungsalltag erweitert. Durch Reflexionsarbeit und Übersetzung der Pferdeerlebnisse in den unternehmerischen Kontext stellen wir den Lerntransfer in die Arbeitswelt sicher. Ja, es gibt schon öfters Berührungsängste, allerdings sind diese spätestens nach der ersten Pferde-Session am Vormittag des ersten Tages beseitigt, und alle Teilnehmenden wollen dann so oft wie möglich ans Pferd (lacht).

Infos finden Sie auf www.prokschconsult.at.

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