Cellistin Julia Hagn

Intensiv & Ehrlich: Cellistin Julia Hagen im Interview

Von Europa bis nach Tokio.

7 Min.

© Simon Pauly

Brillante Technik, gepaart mit emotionaler Tiefe, wird man am 31. August in Grafenegg erleben, wenn die junge, mehrfach ausgezeichnete und international gefeierte Cellistin Julia Hagen die vielschichtige Expressivität des bewegenden Konzertes von Edward Elgar interpretieren wird.

Julia Hagen: Auftritte von Europa bis nach Tokio

Das Hagen-Quartett, eines der führenden Streichquartette der Welt, gehört seit Jahrzehnten zum musikalischen Kulturgut der Festspielstadt Salzburg. In diese berühmte Musikerfamilie wurde 1995 Julia Hagen als Tochter des Cellisten Clemens Hagen, die Mutter ist Bratschistin, geboren. Bereits mit fünf Jahren erhielt sie am Musikum Salzburg Cellounterricht bei Detlef Mielke. Am Mozarteum studierte sie bei Enrico Bronzi, danach in Wien bei Reinhard Latzko und bei Heinrich Schiff, der sie besonders prägte. Ihr Konzertdebüt als Solistin gab sie im zarten Alter von 14 Jahren mit dem Wiener Jeunesse Orchester im Brucknerhaus Linz. Ihre Auftritte von Europa bis nach Tokio lesen sich wie ein musikalischer Gipfelsturm, ebenso ihre Auszeichnungen und Preise, begonnen von Prima la Musica bis zur Trägerin des Beethoven-Rings, und zur Gewinnerin des „UBS Young Artist Awards 2024“. Julia Hagen musiziert mit großen Persönlichkeiten und renommierten Klangkörpern, u.a. mit Igor Levit oder den Capuçon-Brüdern Renaud und Gautier. Ein Talk vor dem Konzert am Wolkenturm …

Die Cellistin Julia Hagen im Interview

Julia, wie war es, bereits als kleines Mädchen  das Instrument Ihres Vaters, nämlich das Violoncello, zu erlernen?

Ich kann mich erinnern, dass meine zwei älteren Geschwister schon ein Instrument gelernt hatten, und ich immer ganz fasziniert zuhörte. Bald hat mir das aber nicht mehr gereicht – ich wollte auch aktiv Musik machen. Das Cello habe ich von Anfang an geliebt! Die Klangfarbe, wie man das Instrument beim Spielen umarmt, und es war sogar mein Lieblingsort beim Verstecken spielen. Also ein sehr kindlicher Zugang (lacht). Dass es das Instrument meines Vaters war, ist mir erst sehr viel später wirklich bewusst geworden. 

Auf  Ihrer Website hört man „Moments Musicaux #25“ Julia und Clemens Hagen aus dem Wiener Konzerthaus. Ist es besonders emotional, mit dem Vater zu spielen?

Es ist ein ganz besonderes Gefühl, mit dem eigenen Vater Musik zu machen. Oft braucht es viele Proben, gemeinsame Konzerte und viele gemeinsame Projekte, um sich musikalisch immer besser zu verstehen. Bei meinem Papa habe ich das Gefühl, wir verstehen uns musikalisch blind. Wir scheinen die Musik sehr ähnlich zu fühlen, und da wir bei dem gleichen Lehrer studiert haben, ist auch unsere Spielart eine sehr ähnliche. Zumindest wird mir das oft von außen gesagt, dass wir uns so ähneln beim Cello spielen. Und natürlich ist das ein unfassbar schönes Gefühl, wenn man das Zuhause mit auf die Bühne nehmen kann. Es hat etwas so unglaublich Vertrautes und Selbstverständliches. 

Was bedeutet Ihnen der Credit Suisse Young Artist Award 2024?

Den Credit Suisse Young Artist Award zu erhalten, war für mich die mit Abstand größte Auszeichnung. Ich verehre meine Vorgänger! Das sind Musiker und Musikerinnen, zu denen ich aufschaue. Als kleines Mädchen habe ich mitbekommen, wie Sol Gabetta der Preis verliehen wurde. Nie hätte ich gedacht, dass ich genau zwanzig Jahre später an gleicher Stelle stehen würde. Das Allerschönste an diesem Preis ist aber die Möglichkeit, als Solistin mit den Wiener Philharmonikern auf der Bühne zu sein. Nie hätte ich mir das erträumt! Als es so weit war, konnte ich es gar nicht glauben, wie unfassbar schön, frei und ausdrucksstark sie musizieren. Jeder reagiert so wahnsinnig flexibel, das habe ich so noch nie erlebt. Und ich war sehr aufgeregt, auf Maestro Thielemann zu treffen. Doch von der ersten Note las er mir jeden musikalischen Gedanken ab, und gab mir gleichzeitig so frische, neue Impulse. Diese Mischung beherrscht kaum jemand, es war mir eine Ehre, das zu erleben.

Sie spielen auf einem Cello von Francesco Ruggieri aus dem Jahr 1684, welches Ihnen ein österreichischer Privatsponsor zur Verfügung stellt – und das völlig zerstört war… 

Es gibt ja kaum ein so altes Instrument, das keine Risse oder Ähnliches hat. Mein Ruggieri-Cello war tatsächlich, bevor ich es dann spielen durfte, in sehr schlechtem Zustand, hatte sehr viele Risse und war offen. Es bedurfte des großen Könnens eines Wiener Geigenbauers, das Instrument wieder so herzustellen, dass man davon weder etwas sieht noch hört. Die Arbeit von Geigenbauern fasziniert mich immer wieder aufs Neue, weil sie mit so alten, zerbrechlichen Instrumenten das Unmögliche oft wieder möglich machen, und so wunderschöne Instrumente dann weiterhin spielbar sind. 

Gibt es in Ihrem Repertoire ein besonderes Lieblingsstück?

Puh, das ist eine schwierige Frage! Wir haben so viele Stücke, die mich emotional berühren und die mir unter die Haut gehen, da ist es schwierig, sich zu entscheiden. Es wechselt auch nach Stimmungslage, mit welchem Werk ich mich gerade beschäftigte. Aber eines meiner Lieblinge ist das Dvorák-Cellokonzert. Da bekomme ich jedes Mal aufs Neue Gänsehaut. 

Zu Grafenegg: Edward Elgar komponierte sein e-Moll-Cellokonzert op. 85 in den Jahren 1918–1919, tief beeindruckt vom Ersten Weltkrieg. Heute gilt es als ein Herzstück des Cello-Repertoires. Beeinflusst diese doch so bewegende Entstehungsgeschichte Ihre Interpretation?

Es waren sehr düstere Zeiten für Edward Elgar: der Erste Weltkrieg und die damit verbundene Stimmung, seine Frau war krank, auch er musste sich einer Operation unterziehen, und soll anscheinend nach dem Aufwachen das Thema des ersten Satzes im Kopf gehabt haben. Also, alles in allem, eine düstere Phase. Es wird auch das letzte Werk Elgars gewesen sein, welches er komponiert hat. Ich glaube, dass die Musik selbst so stark ist, und dass ihre Bedeutung in diesem Fall auch ohne Hintergrundwissen klar zu hören ist. Für mich gibt es wenig Sätze, die mich so berühren wie der dritte Satz des Cellokonzerts. 

Am Wolkenturm wird die aus Litauen stammende Mirga Gražinyte-Tyla am Pult des Orchestre Philharmonique de Radio France zwei zentrale französische Werke dirigieren: Debussys „La mer“ sowie Ravels „Boléro“. Sie beide sind herausragende Vertreterinnen einer jungen Generation. Wie sehr freuen sie sich darauf? 

Ich durfte jetzt schon einige Male mit Mirga auf der Bühne stehen und freue mich jedes Mal besonders, mit ihr Musik zu machen. Sie hat eine unglaubliche Energie und lebt die Musik so intensiv, dass ich als Solistin so viel von ihr bekomme, was ich wiederum in mein Spiel packen kann. Auf persönlicher Ebene ist sie mir sowieso ein großes Vorbild, weil ich es absolut bewundere, wie sie Zeit für ihren Beruf und ihr Privatleben findet. Das mag sich jetzt nicht besonders anhören, aber ich weiß, wie wenige Musiker und Musikerinnen es schaffen, eine gute Balance zu finden. 

Im Oktober werden Sie eine Professur in Wien übernehmen. Wie fühlt sich das an?

Ich kann es noch gar nicht ganz glauben, dass ich mit meinen 30 Jahren eine Professur in Wien antreten darf! Es ist natürlich eine große Ehre und ein absoluter Traum, an der Uni, an der ich selbst studiert habe, nun auch unterrichten zu dürfen. Und natürlich eine riesengroße Verantwortung, so viele junge Musiker und Musikerinnen auszubilden. Die Arbeit mit ihnen ist wahnsinnig bereichernd. Es macht mir eine unglaubliche Freude, wenn ich merke, sie machen Fortschritte, haben Anmerkungen umgesetzt, finden ihre eigene Stimme, sagen etwas mit der Musik und berühren Menschen. Dazu möchte ich sie ermutigen: immer die intensivsten und ehrlichsten Gefühle in die Musik zu packen. 

Infos und Termine auf www.juliahagen.com

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