Beth Ditto im Interview

Beth Ditto: „Wir Queers und Weirdos waren schon immer da“

Die Gossip-Frontfrau im Interview

5 Min.

© Cody Critcheloe

Selbstbewusst sprengt sie die gängigen Schönheitsideale der Popmusik und gilt als LGBTQ+-Vorreiterin. Gossip-Frontfrau Beth Ditto im Interview über das Comebackalbum, gesellschaftliche Veränderungen und ihren einzigen Österreich-Auftritt.

Lange war es ruhig um Beth Ditto und Gossip. Nach zwölf Jahren Pause meldet sich die Band mit ihrem neuen Album „Real Power“ zurück – einer explosiven Mischung aus Indie, Rock, Dance und Pop. Gewohnt offen, gewohnt provokativ. Um den Albumrelease zu promoten, gastiert Beth Ditto in Berlin.

Der Medienandrang ist groß. So groß, dass wir um unseren 15-minütigen Slot zittern müssen und erst am späten Nachmittag erfahren, ob und wann wir die charismatische Sängerin ans andere Ende der Leitung bekommen. Um 18.25 Uhr ist es dann endlich so weit. Sie hat einen langen Tag hinter sich, trotz Interviewmarathons sprüht die Musikerin und Modeikone vor Energie und hinterlässt einen äußerst sympathischen Eindruck.

Nach über einem Jahrzehnt kehrt Gossip mit dem neuen Album „Real Power“ zurück. Wie fühlt es sich an, nach all dieser Zeit wieder neue Musik zu veröffentlichen?

Beth Ditto: Es fühlt sich großartig an! Es ist, als würde die Zeit stillstehen und gleichzeitig voranschreiten. Kennen Sie das Gefühl, wenn man alte Schulfreunde trifft, und plötzlich ist alles so vertraut? So ähnlich ist es bei uns. Natürlich sind wir alle ein wenig gereift, sind durch das Leben gegangen und haben neue Perspektiven gewonnen. Damals, als wir das letzte Mal zusammen waren und das Album aufgenommen haben, war ich 31 Jahre alt. Jetzt bin ich 43. Das ist eine lange Zeit.

Beth Ditto von Gossip im Gespräch
© Cody Critcheloe

Kannst du uns etwas über den Entstehungsprozess erzählen? Gab es besondere inspirierende Momente, die das Album geprägt haben?

Der kreative Prozess beginnt meist recht simpel. Es geht darum, Menschen zusammenzubringen, Musik zu machen und zu sehen, was dabei entsteht. Es geht um das Gefühl, ob es echt und aufrichtig ist. Denn wenn etwas echt ist, dann fällt es mir leicht, darüber zu schreiben. Es ist eigentlich ganz einfach. Ich wünschte, ich könnte eine aufregendere Geschichte erzählen.

Gossip war schon immer bekannt für kraftvolle und mutige Texte. Gibt es auf dem neuen Album bestimmte Songs, die für dich persönlich eine besondere Bedeutung haben?

Ein Song, der mir besonders am Herzen liegt, ist „Peace and Quiet“. Er erinnert mich an meine Jugend und hat sogar eine Referenz an Destiny’s Child im Breakdown. „Act of God“ berührt mich auch sehr. Aber am meisten Spaß habe ich wohl beim Singen von „Turn the Card Slowly“. Oh, und „Crazy Again“ – er ist fröhlich und leicht, einfach ein süßer Song!

In der Zwischenzeit ist viel passiert. Du hast zum Beispiel 2016 deine eigene Modelinie gelauncht. Welche Rolle spielt Mode für dich?

Für mich ist Stil wichtiger als Mode. Es geht darum, sich wohlzufühlen und sich auszudrücken. Ich persönlich muss mich in meiner Kleidung wohlfühlen, sonst passt sie einfach nicht zu mir. Es geht darum, das zu tragen, was einen glücklich macht und was zu einem passt, ohne sich dabei zu verbiegen. Schon als Kind habe ich nach Dingen gesucht, die mich inspiriert haben, die ich cool fand. Mode sollte Spaß machen und Ausdruck der Persönlichkeit sein.

Es ist schön zu sehen, wie Menschen heute für das anerkannt werden, was sie sind.

Beth Ditto

Du giltst als LGBTQ+-Vorreiterin in der Musikindustrie. Wie siehst du die Entwicklungen seit den Anfängen von Gossip?

Als queere Person ist das Thema für mich von großer Bedeutung. Es ist fantastisch zu sehen, wie sich die Sichtbarkeit und Akzeptanz in den letzten Jahren entwickelt haben. Wir diskutieren nun über Pronomen und unterschiedliche Identitäten.

Es ist eine Entwicklung, die ich mit Stolz beobachte und die mich inspiriert. In meinen kleineren Kreisen, in meiner eigenen Welt, war das alles schon immer präsent. Wir, die Queers und die Weirdos, waren schon immer da. Ich fühle mich ein wenig wie eine stolze Tante. Es ist schön zu sehen, wie Menschen heute endlich für das anerkannt werden, was sie sind, und ihre Kunst auch geschätzt wird.

Euer Auftritt beim Lido Sounds Festival in Österreich am 28. Juni wird mit Spannung erwartet. Auf was dürfen sich die Fans freuen?

Ich freue mich sehr darauf, wieder auf der Bühne zu stehen und in Österreich aufzutreten! Was die Show angeht, tja, man weiß nie, was passieren wird. Vielleicht breche ich mir auch wieder einen Fuß (lacht). Hoffentlich nicht, aber das ist mir schon einmal passiert. Spaß beiseite – hoffentlich werden wir einfach eine großartige Zeit voller Liebe, Begeisterung und Spaß haben. Wir sind sehr glücklich, wieder Musik machen zu können und das mit unseren Fans zu teilen.

Das neue Gossip-Album "Real Power"
© Cody Critcheloe

Neues Album „Real Power“

Der sechste Longplayer des ikonischen US-Trios, das weltweit mehr als zehn Millionen Platten verkauft hat, erscheint nach mehr als einer Dekade und einer zwischenzeitlichen Trennung der Band. Beth Ditto ging zunächst eigene Wege als Solomusikerin, brachte ihre eigene Plus-Size-Kollektion heraus, versuchte sich als Schauspielerin und setzte sich für soziale Belange ein, bevor es zur Wiedervereinigung von Gossip kam.

Die elf neuen Songs entstanden auf Hawaii in Zusammenarbeit mit Musikproduzent Rick Rubin, der bereits 2009 das Ausnahmealbum „Music For Men“ produzierte. Mit „Real Power“ (ET 22. März) schickt Gossip eine kühne Botschaft in die Welt – eine Botschaft der Selbstbestimmung, des Widerstands und zur Feier der eigenen Einzigartigkeit.

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Als Redakteurin der WIENERIN erkundet Laura Altenhofer gerne die neuesten Hotspots der Stadt. Besonders angetan hat es ihr jedoch die vielfältige Musikszene Wiens. Ob intime Clubkonzerte oder große Festivalbühnen – man findet sie meist dort, wo die Musik spielt.

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