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„Immer muss ich an alles denken“ – Ein Satz, der vielen Frauen bekannt vorkommt. Wegen „Mental Load“ stehen sie oft unter Doppelbelastung. Was das bedeutet und wie wir besser damit umgehen – wir haben mit einer Expertin gesprochen.
Unsichtbare Last: Doppelbelastung durch Mental Load
Es ist ein normaler Montagmorgen, Anna sitzt am Frühstückstisch, während sich ihre Gedanken bereits um viele Aufgaben des Tages kreisen. Neben ihrem Kaffee liegt eine To-do-Liste, die sie im Kopf schon mehrfach durchgegangen ist: Sie muss daran denken, ihre Kinder rechtzeitig zur Schule zu bringen, den Einkauf fürs Abendessen zu planen und die Präsentation für ihr Meeting am Nachmittag vorzubereiten. Während sie den Kindern die Brotdosen reicht, erinnert sie sich daran, dass der Jüngste heute seine Sportsachen braucht und die älteste Tochter ein Referat in der Schule hält. Anna jongliert all diese Aufgaben, während sie gleichzeitig versucht, sich auf ihren eigenen Arbeitstag zu konzentrieren. Diese unsichtbare Last, die sie trägt, ist ein Paradebeispiel für Mental Load – die ständige Denkarbeit, die im Hintergrund abläuft und selten die Anerkennung erhält, die sie verdient.
Gedankenkarussell
Mental Load umfasst die vielen To-dos, die notwendig sind, um den Alltag zu managen. Es sind Dinge, die oft unbemerkt passieren, wie etwa das Planen von Arztterminen, das Erinnern an Geburtstage, das Erstellen von Einkaufslisten oder das Koordinieren von Schulaufgaben und Freizeitaktivitäten. Diese Aufgaben werden häufig von Frauen übernommen, ohne dass sie von anderen bewusst wahrgenommen oder wertgeschätzt werden. Was trivial und simpel erscheint, kann allerdings zu erheblicher Last für die Psyche führen: „Wenn das Gedankenkarussell nicht stoppt und immer noch neue To-dos dazukommen, kann das zu Stress und Erschöpfung führen. Viele Menschen fühlen sich dann müde oder gereizter, weil sie ständig an so vieles denken müssen“, so Manuela Schauer, psychologische Beraterin und systemischer Coach. Die Folgen: innere Unruhe, Erschöpfung, Schlafprobleme oder ständige Anspannung.
Ungleichgewicht
Eine Ursache für Mental Load ist das Ungleichgewicht, das bei der Verteilung dieser Aufgaben vorherrscht. Auch Studien bestätigen, was für viele Frauen Alltag ist: So übernehmen sie in unserer Gesellschaft nach wie vor überwiegend den Großteil des Haushalts und sogenannter Care-Arbeit. Laut der aktuellen Zeiterhebungsstudie der Statistik Austria verbringen erwachsene Frauen täglich durchschnittlich vier Stunden und 19 Minuten und Männer zwei Stunden und 29 Minuten mit dieser unbezahlten Arbeit; also täglich fast zwei Stunden mehr. Ähnlich wie bei der Hausarbeit erledigt die Frau rund zwei Drittel der Kinderbetreuung und der Mann rund ein Drittel (32,8 %). „Frauen erleben Mental Load oft intensiver, weil sie in vielen Bereichen als die ‚unsichtbare Managerin‘ des Alltags agieren“, bestätigt auch Schauer.
Ein Grund dafür sind laut der Expertin unter anderem die traditionellen Rollenbilder und erlernten Muster, nach denen die „Verantwortung für Organisation und Planung in vielen Familien ganz automatisch in die Hände der Frauen hineinwächst.“ Hinzu kommt, dass sich der Mental Load, den häufig Frauen tragen müssen, auch auf ihre Karriereentwicklung auswirken kann: „Dieses ständige Mitdenken bindet Ressourcen und kann dazu führen, dass Frauen ihre beruflichen Chancen nicht in vollem Umfang wahrnehmen können – nicht, weil sie es nicht können, sondern weil der Tag nur 24 Stunden hat“, warnt die Expertin. Ein gesellschaftliches Problem, dem es entgegenzuwirken gilt.
Bewusstsein für Mental Load schaffen
Und zwar nicht nur, um die ungleiche Arbeitsverteilung unbezahlter Care-Arbeit auszugleichen und Frauen dieselben Chancen zu ermöglichen, sondern auch, um die psychische Belastung, die mit Mental Load einhergeht, zu reduzieren. In erster Linie ist es vor allem notwendig, ein Bewusstsein für diese unsichtbare Last zu schaffen. Wenn das gelingt, können weitere Schritte folgen und in Partnerschaften zum Beispiel in Form von der Definition klarer Verantwortungsbereiche, offener Kommunikation ohne Vorwürfe und regelmäßiger Familien Check-ins umgesetzt werden, rät Schauer. Und besonders wichtig: „Wertschätzung zeigen! „Ein einfaches ‚Danke, dass du das übernimmst‘ kann einen großen Unterschied machen. Mental Load ist oft unsichtbar, deshalb hilft es, die Leistung des anderen bewusst anzuerkennen.“
Während das Thema Mental Load in den vergangenen Jahren zwar zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, sprechen aktuelle Studienergebnisse und die weiterhin starke psychische Belastung von Frauen immer noch gegen eine echte gesellschaftliche Veränderung, weil das Bewusstsein für die unsichtbaren Aufgaben an vielen Stellen noch immer fehlt. Auch Schauer betont: „In dieser Hinsicht haben wir gesellschaftliche noch einiges vor uns“. Also sprechen wir darüber, machen wir anderen dieses Ungleichgewicht bewusst und Mental Load sichtbar. Denn „je mehr darüber gesprochen wird, desto mehr kann sich auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene verändern“, ist Manuela Schauer überzeugt.
Manuela Schauer ist psychologische Beraterin und Expertin für Systemisches Coaching sowie Eltern- und Familiencoaching in ihrer Praxis in Wolfsbach und Linz.

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