Capsule-Wardrobe: Wir zeigen wie's geht. Fashion, Style, minimalistische Outfits, Inspiration

Capsule-Wardrobe: Wenn weniger mehr ist

Voller Schrank, aber nichts zum Anziehen? So baust du eine Capsule Wardrobe, die wirklich zu dir passt.

7 Min.

© Pexels/Matvalina, Unsplash/Dmitry Ganin, Pexels/Nazila

Auf TikTok kursieren derzeit immer wieder Beiträge zu einem Thema, das auf den ersten Blick nicht so recht zur Plattform passen will: „Underconsumption“, also der bewusste Verzicht auf überflüssigen Konsum. So tauchen zwischen Shein-Hauls und „Leute, rennt zu XY“-Aufrufen immer öfter junge Menschen auf, die zum Gegenteil übergegangen sind: Sie kaufen nur mehr jene Dinge, die sie tatsächlich benötigen – und wollen auch andere zu einem bewussteren Kaufverhalten motivieren.

Auf der Suche nach dem verlorenen Stil

Diese Gegenbewegung kommt nicht von ungefähr, denn in kaum einem Lebensbereich ist unser Hang zum Überkonsum so deutlich spürbar wie in der Mode. Während unsere Großeltern-Generation Kleidungsstücke oft mehrere Jahrzehnte lang getragen hat, ist es durch den Fast-Fashion-Boom der letzten Jahre geradezu normal geworden, sich in jeder Saison neu einzukleiden.

Diese Herangehensweise mag zwar temporäre Dopamin-Schübe freisetzen, doch nach ein bis zwei Auftritten verlieren die meisten Stücke bekanntlich ihren anfänglichen Reiz. Das Resultat: ein bis oben hin vollgestopfter Kleiderschrank – und trotzdem das Gefühl, nichts Passendes zum Anziehen zu finden. Denn in der Flut von Rabattaktionen und viralen Trends entgleitet uns zunehmend etwas Wesentliches: die Kunst, einen eigenen Stil zu kultivieren.

Zu viel des Guten

Es ist wie beim All-you-can-eat-Buffet: Je mehr Optionen man vor der Nase hat, desto schwieriger fällt es, sich auf das zu besinnen, was man tatsächlich mag. Vieles sieht gut aus, bei manchem lohnt es sich auch, zuzugreifen – aber am Ende schaufelt man sich eine bizarre Mischung aus vier bis fünf verschiedenen Vor- und Hauptspeisen auf den Teller, die „Genuss“ unmöglich macht.

Vielleicht erklärt genau das unsere aktuelle Faszination für das Konzept der Capsule Wardrobe: Die Welt ist schon kompliziert genug, da möchte man zumindest beim Thema Anziehen nicht lange nachdenken müssen. Immerhin kostet jede Entscheidung Energie – und mit einer gut durchdachten, überschaubaren Garderobe lässt sich dieser tägliche Aufwand erheblich reduzieren.

Die Ursprünge

Die Idee ist übrigens nicht neu: Schon in den 1970er-Jahren hatte die Londoner Boutique-Inhaberin Susie Faux die Vision, eine kompakte Garderobe aus funktionalen, hochwertigen Basics zu schaffen, die sich gezielt durch saisonale Akzente ergänzen lässt. In die breite Öffentlichkeit rückte das Konzept allerdings erst 1985, als Donna Karan ihre ikonische „Seven Easy Pieces“-Kollektion auf den Laufsteg brachte.

Sie umfasste sieben Schlüsselteile: Bodysuit, Blazer, Rock, Hose, Kaschmirpullover, Lederjacke und ein Teil für festliche Anlässe. Jedes einzelne Kleidungsstück war so konzipiert, dass es sich flexibel mit den anderen kombinieren ließ – das sollte es Frauen ermöglichen, mit minimalem Aufwand zu jedem Anlass gut gekleidet zu sein, tagsüber wie abends.

Capsule-Wardrobe
© Hersteller

Shoppen nicht als Hobby sehen

So simpel und verlockend der minimalistische Ansatz im ersten Moment klingen mag: Er setzt ein radikales Umdenken voraus. Einerseits: den Kleiderkauf nicht mehr als Belohnung oder gar Hobby zu begreifen, sondern als wohlüberlegte, aber dafür langfristige Investition in Funktion, Qualität und nicht zuletzt in den eigenen Stil.

Das allein ist schwierig genug – immerhin sind wir quasi rund um die Uhr und in so gut wie jeder App von Kaufimpulsen umgeben. Sehen, klicken, bestellen: Dieser Prozess geht inzwischen fast schon nebenher von der Hand. Daher kann es in einem ersten Schritt helfen, die Werbepräferenzen in sozialen Medien anzupassen und einschlägigen Influencer:innen zu entfolgen – aus den Augen, aus dem Sinn.

Billig kostet viel

Andererseits brauchen wir ein neues Verständnis von Preis und Wert: Der günstige Polyester-Pullover mag sich beim Kauf wie ein guter Deal anfühlen, doch nach ein oder zwei Saisonen sieht das Material meist abgetragen aus, verliert seine Form oder bildet lästige Fusseln.

Dann wird das vermeintliche Schnäppchen durch ein neues Billigteil ersetzt; und der Kreislauf setzt sich fort – erweist sich damit aber auf lange Sicht sogar teurer als die einmalige Investition in ein hochwertiges Stück aus Wolle, das mit der richtigen Handhabung jahrzehntelang Freude bereiten kann. Die wahre Investition errechnet sich also nicht am Kaufpreis, sondern an der Lebensdauer.

Gar nicht monoton

Klingt soweit gut? Dann können wir langsam zum praktischen Teil kommen. Um etwaige Missverständnisse gleich aus dem Weg zu räumen: Der Aufbau einer minimalistischen Garderobe hat nicht zwangsläufig etwas mit Uniformität zu tun. Niemand muss – wie es diverse Content Creator:innen vermuten lassen – fortan nur noch beige Hosen und cremefarbige Pullover tragen und Muster oder Statement-Stücke strikt meiden. Vielmehr geht es bei der Idee der Capsule Wardrobe darum, den eigenen Stil so zu definieren und abzugrenzen, dass er sich am Ende in jedem Ihrer Kleidungsstücke widerspiegelt.

Was mich anzieht

Bevor du gleich deine Kreditkarte zückst: Lass uns zunächst mit dem arbeiten, was bereits vorhanden ist. Halte einen Moment inne und denke an deine Lieblingsstücke. Also jene, die immer ganz oben auf dem Stapel liegen, regelmäßig im Wäschekorb landen und auf Reisen immer eingepackt werden. Was verbindet sie miteinander? Sind es spezielle Materialien, Farben, Muster – oder ist es ein bestimmter Schnitt, mit dem du dich besonders wohlfühlst? Halte diese Eigenschaften am besten schriftlich fest; sie dienen als wichtige Orientierungshilfe für zukünftige Investitionen.

Zeit zum Ausmisten

Nun wird es Zeit für eine textile Bestandsaufnahme: Leg deine gesamte Garderobe (ja, alles!), inklusive Schuhe, Schmuck und Accessoires, auf das Bett beziehungsweise den Boden. So kannst du dir ein realistisches Bild davon machen, wie viel du besitzt und was davon tatsächlich regelmäßig zum Einsatz kommt.

Nimm jedes einzelne Stück in die Hand und stell dir dabei zwei Fragen: Würde ich dieses Teil heute noch einmal kaufen? Und: Werde ich es in den nächsten drei bis sechs Monaten tatsächlich tragen? Je ehrlicher du dabei mit dir selbst bist, desto einfacher wird das Ausmisten. Die auszusortierenden Stücke dann am besten gleich vom Rest der Garderobe trennen und verkaufen, verschenken oder spenden.

Stabile Basis schaffen

Jeder Kleiderschrank lebt von guten Basics, und sind vor allem bei der Capsule Wardrobe sind sie ein entscheidender Faktor – sozusagen das Grundgerüst, auf dem sich persönliche Akzente aufbauen lassen. Zu den Essentials gehören beispielsweise: eine gut sitzende Jeans, ein paar schlichte Baumwoll-T-Shirts, ein klassischer Blazer und ein hochwertiger Wollmantel.

Entscheidend ist, dass jedes Teil zu deinem Stil passt und du es gerne und häufig tragen möchten. Gerade bei den Basics gilt: keine Kompromisse bei der Qualität. Denn im besten Fall tragst du diese Teile oft, lange und in den unterschiedlichsten Kombinationen. Wer hier investiert, investiert in Beständigkeit.

Farbpalette definieren

Ein weiterer Grundpfeiler der Capsule Wardrobe ist ein klar definiertes Farbschema. Entscheide dich für eine überschaubare Palette, mit der du dich wohlfühlst und die zu deinem Farbtyp passt. Am einfachsten fällt es, wenn du zwei bis drei neutrale Grundfarben wählst (Schwarz, Weiß, Grau, Beige oder Dunkelblau) und diese durch ein, zwei Akzentfarben ergänzen. Ganz gleich, welche das sind: Am wichtigsten ist, dass du auch dabei bleibst. Denn je klarer die Farbwelt gestaltet wird, desto leichter fällt das Kombinieren – und desto mehr Outfit-Varianten lassen sich aus den vorhandenen Teilen zusammenstellen.

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Über die Autorin:

Andrea Lichtfuss
© TIROLERIN/ Kapferer

Andrea Pfeifer-Lichtfuss ist Chefredakteurin der TIROLERIN und für die Ressorts Beauty und Style zuständig. Sie mag Parfums, Dackel und Fantasyromane. In ihrer Freizeit findet man sie vor der X-Box, beim Pub-Quiz oder im Drogeriemarkt.

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