Porträtfoto von Rankin

Starfotograf Rankin: „Manchmal tut man Dinge, die peinlich sind, aber Jahre später ergibt alles plötzlich einen Sinn“

Through his lense

5 Min.

© Schwarzkopf Professional (beigestellt)

Rankin über den Wandel der Schönheit, seine liebsten Fotos und die Risiken von Künstlicher Intelligenz.

Queen Elizabeth II. und König Charles III. traten vor seine Linse, in den 1990er-Jahren revolutionierte er mit seinem Magazin Dazed & Confused die Fashionindustrie, und so ziemlich jede popkulturrelevante Person arbeitete bereits mit ihm: John Rankin Waddell, besser bekannt als Rankin. Im deutschsprachigen Raum kennt man den britischen Fotografen meist an der Seite von Heidi Klum bei „Germany’s Next Topmodel“, wo er sich seit 2009 stets streng und distanziert präsentiert.

Wir trafen den 59-Jährigen in Berlin und waren überrascht, wie nahbar, scharfsinnig und reflektiert er uns begegnete. Mit uns sprach er über seine liebsten Fotos, die er jemals geschossen hat, seine aktuelle Kampagne mit Schwarzkopf unter dem Titel „For Every You“ und wie sich die Vorstellung von Schönheit verändert hat, seitdem er fotografiert.

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Rankin im Interview

Wie schaffen Sie es, die persönliche Note in Ihren Bildern einzufangen?

Es ist immer unterschiedlich, weil jede Person aus einem anderen Grund zum Shooting kommt und andere Erwartungen hat. Ich habe viel Zeit damit verbracht zu studieren, wie die Menschen sind und wie sie gesehen werden wollen. Jede:r sucht nach etwas anderem, und ich versuche, ihnen das zu geben, was sie wollen, und sie gleichzeitig dazu zu bringen, einen Teil ihrer Persönlichkeit zu offenbaren. Ich beleuchte die Bilder von Hand, also forme ich das Gesicht und damit das Aussehen. Ich setze jede mir zur Verfügung stehende Technik ein, um die Person dazu zu bringen, mir etwas zu geben, das mehr ist als nur ein Porträt. Ich würde sagen, dass mir das in 99 Prozent der Fälle gelingt.

Hat sich Ihre Vorstellung von Schönheit verändert, seitdem Sie sie durch Ihre Kamera betrachten?

Ich glaube, Schönheit hat sich im Allgemeinen in den letzten Jahren verändert. Es ist nicht meine Vorstellung davon, die sich geändert hat. Ich denke, wenn überhaupt, dann haben sich meine Gedanken über das, was ich unter Schönheit verstehe, verändert. Ich habe lange Zeit Arbeiten gemacht, die Schönheit in Frage gestellt haben. Aber ich war nicht der Grund für die Veränderung. Was seit Covid passiert ist, ist, dass die Identität der Menschen durch die sozialen Medien und die Möglichkeit, Fotos und Videos zu machen, so viel wichtiger geworden ist. Deshalb gibt es so etwas wie Trends nicht mehr.

Die Menschen lassen sich von allen möglichen Epochen und Stilen inspirieren und entscheiden selbst, wie sie aussehen wollen. Und sie wollen das sehr visuell und auf ihre eigene Art und Weise kommunizieren. Das Interessante an dem neuen Schwarzkopf-Projekt ist, dass sie in diesem kreativen Bereich eine herausragende Stellung einnehmen und sie es verstehen, dass Haare auf eine Weise Teil der Kultur sind. Die Art und Weise, wie du dein Haar trägst, sagt mir etwas über dich. Ich glaube, das ist heute wichtiger als je zuvor.

Gibt es ein Foto, das Sie aufgenommen haben, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Wissen Sie, das ist eine wirklich interessante Frage, denn ich mache Fotos, die Erinnerungen sind. Es ist nicht nur ein Werbefoto oder ein Porträt. Wenn ich also fotografiere, denke ich darüber nach, wie das Bild die Zeit durchläuft, wie man es sieht und welche Beziehung man dazu hat. Eines der schönsten Dinge ist es, ein Bild zu finden, das ich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe, und damit in der Zeit zurückzuspringen. Das ist irgendwie schön und seltsam zugleich.

Wenn ich ein Lieblingsbild benennen müsste, wären das Fotos von meiner Familie, von meinen Eltern. Und ich erinnere mich, dass meine Arbeit mit Robert Downey Jr. sehr schön war, weil er einfach präsent war und etwas Spektakuläres kreieren wollte. Es war eine dieser großartigen Kollaborationen, auf die ich mich sehr gefreut habe. Oder mit Courtney Love hatte ich wahrscheinlich eine der außergewöhnlichsten Fotosessions. Sie war einfach unglaublich, vom ersten bis zum letzten Moment. Wissen Sie, einige meiner Fotos hat man noch nie gesehen. Es sind Erinnerungen, die nicht performativ sind. Ich habe kein gutes Gedächtnis, ich glaube, das ist der Grund, ganz tief in meinem Unterbewusstsein, warum ich Fotograf geworden bin. Um diese Erinnerungen zu bewahren.

Haben Sie sich bei einer Arbeit jemals gedacht: „Was zum Teufel habe ich mir dabei gedacht?“

Ja, natürlich. Aber wissen Sie, was wirklich interessant ist? In letzter Zeit habe ich einige meiner Fotos in Skulpturen verwandelt, und das hat sie verändert. Damit werden eine Menge meiner disparaten Ideen aufgegriffen, und es verleiht ihnen eine Ästhetik, ein Genre. In gewisser Weise ergibt meine Arbeit jetzt mehr Sinn. Manchmal mache ich etwas, um etwas auszuprobieren, so wie ich gerade ein großes Projekt mit Kl gemacht habe, um Kl zu verstehen. Nicht, weil ich ein großer Befürworter oder Kritiker von Künstlicher Intelligenz bin, aber ich muss damit zumindest experimentieren, weil es wichtig für die Kultur der Zukunft sein wird.

Manchmal mache ich etwas, weil es eine intuitive Idee ist, und dann geht es schief. Ein gutes Beispiel ist, dass ich 2014/2015 Millionen von Videos mit Apps gemacht habe, die dein Gesicht verändern können. Meine Frau fragte mich immer, warum ich diese Selfies machen würde. Ich sagte: „Nein, das sind keine Selfies, ich experimentiere mit diesem neuen Medium, weil ich fasziniert bin von dem, was es kann.“ Jetzt fangen sie an, auf eine Art und Weise Sinn zu ergeben, den sie vorher nicht hatten. Manchmal tut man Dinge, die ein bisschen peinlich sind oder die man nicht versteht, aber Jahre später ergibt alles plötzlich einen Sinn.

Das klingt nach einem schönen Lerneffekt, den man vielleicht Verallgemeinern könnte?

Ja, und es geht darum, ständig wissbegierig zu sein und Fehler zu erlauben. Technologie, insbesondere für mich, ist etwas, mit dem ich mich ständig beschäftigen muss, weil ich verstehen will, welche Auswirkungen sie auf den Rest der Gesellschaft haben wird. Ich bin sicher, dass KI um ein Vielfaches gefährlicher ist als soziale Medien, aber darüber reden wir noch nicht. In fünf oder zehn Jahren hingegen wird das Thema sein. KI stellt uns in keiner Weise infrage, und kritisches Denken wird zum Fenster hinausgeworfen. Es untergräbt unsere ganze Beziehung zur Realität und macht sie zu einer kompletten Fälschung. Deshalb muss man sich als Künstler:in jetzt immer erklären und muss eine Begründung für sein Handeln liefern. Nur das macht Bilder heutzutage glaubwürdig und authentisch.

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