
„Alles wird gut, oida!“: Autorin Eva Karel im Interview
Sie plädiert für kluge Kleinigkeiten statt Masterplan
© Karin Hackl
Düstere Zukunftsprognosen stecken uns in den Knochen. Die einen kompensieren vor sich hin, die anderen tümpeln in einer Problemtrance herum – was also tun, um nicht deppert zu werden? Eva Karel plädiert für kluge Kleinigkeiten statt Masterplan, sortiert unser Innenleben mithilfe von Viktor Frankl, setzt auf herzliche Robustheit durch faktenbasierte Zuversicht, damit wir das mit der Planetenrettung womöglich doch noch hinbekommen …
Eva Karel über ihr neuestes Buch
Mit „Alles wird gut, Oida!“ legt Eva Karel nach „Om, Oida! Yoga ohne Maskerade“ und „Om, Oida! Yoga LEHREN ohne Maskerade“, nun ihr drittes, multifunktionales „Oida“-Werk vor, ein innen wie außen schönes Buch, das nach ekstatischen Rückmeldungen und Interviewanfragen bedeutender Medien innerhalb weniger Wochen gleich in die zweite Auflage ging. Warum? Weil sie im Schreiben die Dinge zu Ende denkt, mit Wärme und Humor Pflaster auf offene Wunden legt, wohltuend hippe Anglizismen durch vertraute Austriazismen ersetzt – und das Gute im Miteinander der Menschen feiert.
Eva, du bist von Waidhofen/Ybbs nach Wien gezogen. Gelingt die Selbstfindung in der Anonymität einer Großstadt leichter?
Für mich stimmt das wirklich. So wunderschön Waidhofen ist – ich hätte mich all das unter den Argusaugen der Kleinstadt kaum getraut. In der Großstadt gibt es so einen Sanktus zum zwischenzeitlichen Komisch-sein, das finde ich sehr inspirierend.
Du jonglierst sprachlich nicht nur mit alten Wiener Ausdrücken, sondern huldigst in deinem Podcast auch den heimischen Dialekt. Eine Sache der Identität?
Ich fühle mich definitiv am wohlsten, wenn ich in meinem heimischen Dialekt sprechen kann. Da habe ich einen viel umfangreicheren Bauchladen zur Verfügung, um dem, was ich sagen möchte, Nuancen zu verleihen. Und ich finde, auch profunde Einsichten lassen sich in dieser Art Sprache viel lebensnäher ausdrücken. Viktor Frankl z.B. beschreibt, dass er seine Angst geschnappt hat und sie „äußerln führen“ gegangen ist auf die Rax. Er hatte zwar panische Höhenangst, aber gleichzeitig unbändige Sehnsucht danach, auf Berge zu kraxeln. Irgendwann ist ihm aufgegangen, dass er sich ja gar nicht von sich selbst alles gefallen lassen braucht. Bei dem Spruch hat es mir, gelinde gesagt, die Schuach ausgezogen! Das hat mir Welten eröffnet, vor allem weil Frankl all das fernab von Drill und Disziplin angegangen ist, sondern mit Schmäh und Herzlichkeit.
Wichtig ist dir als überzeugtes „Fangirl“ von Viktor E. Frankl sein therapeutisches Gedankengut. Warum?
Weil ich mich vor der Welt keinesfalls primär fürchten mag. Ich habe in seinen Zugängen Möglichkeiten gefunden, fernab jeglicher Gleichgültigkeit und Coolness wieder Tatendrang und herzliche Robustheit in mir freizulegen. Unsere Zeit ermöglicht ja, uns kontinuierlich abzulenken, uns mittels Bildschirmsog, Essen, Shopping, Trinken etc. zu sedieren. Ich bin überzeugt, dass das viel mit unserer Psyche macht. Frankl war Auschwitzüberlebender und gerade er hat eine zutiefst menschenfreundliche, humorbasierte Psychotherapierichtung begründet. Wenn mir irgendein dahergelaufener Lifecoach-Influencer damit gekommen wäre, hätte ich spöttisch abgewunken. Aber Frankl glaube ich das. Ich habe mit Hilfe seiner Bücher gründlich Inventur in mir selbst gemacht. Das heißt nicht, dass ich von dieser unfassbar ambivalenten Welt nichts mehr mitbekomme. Im Gegenteil – mich berührt die Welt sehr. Ich vergegenwärtige mir ganz aktiv auch das Schöne, Gelingende und Gute, weil ich ansonsten zur Resignation neige. Ich möchte aber so gern meinen Handabdruck hinterlassen.
Was bedeutet „die Kraft der Herde“ für unsere Gesellschaft?
Wir sind Primaten. Herdentiere! So wunderbar ich Innenschau finde, so sehr habe ich das Gefühl, manchmal drehen wir uns eine Spur zu viel um uns selbst und halten die Lupe auf unsere Befindlichkeiten. Frankl hätte gesagt, man sollte aber nicht nur in den Spiegel, sondern auch wieder mal aus dem Fenster schauen. Ich bin überzeugt, dass uns ein Mit- und Füreinander in der Seele wohltut, dass uns das sogar eher auflädt als ausleert.
Wie gelingt es uns, in wilden Zeiten nicht deppert zu werden?
Grenzenlos nützlich finde ich, über ein paar evolutionsbiologische Mechanismen Bescheid zu wissen, die in uns ihr Unwesen treiben. Wir raunzen ja gern, auch wenn wir innerhalb weniger Generationen einen Lebensstandard erreicht haben, der früher nur einer Handvoll dekadenter Imperialisten zur Verfügung stand. Dass wir trotzdem so viel sudern liegt unter anderem daran, dass wir an „hedonistischer Anpassung“ leiden. Wir sind keine undankbaren G’fraster, unser Steinzeit-Innenleben ist nun mal so verkabelt. Das heißt, materieller Komfort wird uns niemals glücklich machen, wir sind diesbezüglich einfach Fassln ohne Boden. So eine Einsicht befreit sehr, wie ich finde. Und ich halte meinen Raunztendenzen aktiv dagegen, indem ich mir bewusst vor Augen führe, wofür ich dankbar bin, damit ich nicht versehentlich drüberhudel. Außerdem sind wir mit einer Negativverzerrung ausgestattet. Wir sorgen und fürchten uns viel mehr, als angebracht ist. Die Welt ist viel schöner, als uns auffällt! In meinem Buch erzähle ich viel davon …
Wie auch als Yogalehrende …
Als Yogalehrerin plädiere ich auch für mehr Herumkörpern als Hirnen. Damit können wir dem Tempo absichtlich Sand ins Getriebe streuen. Wir behandeln unsere Körper ja häufig wie lästige Anhängsel, die aus unserem Hirn baumeln. Je digitaler und schneller die Welt wird, desto hilfreicher aber der Körper, weil er DAS Leo ist. Zwischendurch fühlend landen lautet die Devise. Indem wir körperlich Wurzeln schlagen, finden wir aus dem ständig hudelnden Reagieren heraus. Und ich empfinde es als gute Idee, zwischendurch Schneisen in den Überfluss zu fräsen. Sachen weglassen, Erleichterung statt Verzicht: ein paar Tage Handyfasten/Zuckerfasten/Alkoholabstinenz resetten die Instinkte prächtig, immerhin ist es kein Genuss, der eigenen Gier ausgeliefert zu sein.
About
Eva Karel lehrt an der Universität Wien, schreibt Bücher, bildet Yogalehrende aus und ist der Ansicht, Humor sei eine Kernkompetenz, ebenso wie das Anfreunden mit den hatscherten Aspekten des Menschseins. Ansonsten zieht sie zwei Söhne groß, führt den Hund spazieren, krault ihre beiden Katzen, fungiert als leibhaftiges Orakel mit Zettelpoesie zum Abzupfen, und pinselt Menschen auf Leinwand. Blog und „Om, Oida! Ein Podcast ohne Maskerade“ auf Spotify, www.evakarel.at.

„Alles wird gut, Oida!„
Erschienen im Verlag punktgenau, € 23
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