Passt eh, oder?!
Ein Kind ist kein Goldfisch, Vereinbarkeit stets ein Prozess, und der Job sollte nicht ausschließlich das Konto füttern, findet die erfolgreiche Podcasterin Mari Lang.
© Vanessa Hartmann
Sie ist Journalistin, Moderatorin und Autorin – ihr Podcast wäre für Werbung und Sponsoring bestimmt attraktiv: „Frauenfragen“ wurde zu Österreichs bestem feministischen Podcast gekürt (2021 bis 2023: Ö3), gerade wird sie für ihre fünfte Staffel gefeiert und gehört beim aktuellen Minerva-Award zu den Finalistinnen. „Aber mit klassischer Werbung habe ich ein Problem“, sagt Mari Lang. „Zum einen schwingt in meinem feministischen Konzept Kritik am Kapitalismus mit, zum anderen verstehe ich meinen journalistischen Ansatz bei ,Frauenfragen‘ so, dass ich unabhängig bleiben will.“
Das bedeutet: Mit dem Podcast selbst verdienst du kein Geld, richtig?
Mari Lang: Genau. Was viele nicht wissen, ist, dass Podcaster von den Streaming-Plattformen in der Regel kein Geld bekommen. Und das, obwohl die Plattformen sehr wohl mit unserem Content Geld verdienen. Podcasten ist sehr arbeitsintensiv. Ich recherchiere, schneide und produziere die Interviews selbst. Warum soll qualitativ hochwertiger Inhalt im Netz gratis sein? Wenn ich für jeden Podcast-Download einen Euro bekommen hätte, wäre ich schon reich (lacht). Derzeit verdiene ich mit dem „Frauenfragen“-Podcast vor allem über Umwegrentabilität: Einerseits wurde ich zur Expertin für feministische Themen; ich halte Keynotes, mache Lesungen und sitze auf Podien. Andererseits habe ich nunmehr ein Podcast-Business: Ich mache einen Wissenschaftspodcast für das Austria Center Vienna und bereite gerade den nächsten Podcast mit dem Titel „Die Schöne und das Biest“ für eine Unternehmensberatung vor.
Es ist nicht der Mann das Problem, sondern das Patriarchat, das auch viele Frauen stützen.
Marie Lang
Ein kleiner Rückblick: Wie bist du Podcasterin geworden?
Als die Corona-Pandemie losging, wurde ich in Kurzarbeit geschickt – mit den Worten: „Jetzt hast du Zeit, dich um die Kinder zu kümmern.“ Es war nett gemeint, aber es war wie ein Schlag ins Gesicht und hat bestätigt, was ich, seit ich das erste Mal Mutter geworden bin, immer in Nuancen mitgekriegt habe: dass du als Frau auf deine Kinder reduziert wirst bzw. dass Kinder Frauensache sind. Niemand hat meinen Mann gefragt, wie er das mit zwei kleinen Kindern in der Wohnung hinkriegen wird. Das hat mich grantig gemacht, aus der Wut ist später der Podcast „Frauenfragen“ entstanden.
Du bittest prominente Männer zum Interview und stellst ihnen Fragen, mit denen sonst wir für gewöhnlich konfrontiert sind. Beispielsweise nach Kind und Karriere. Was willst du damit erreichen?
Ich zeige dort hin, wo es wehtun könnte oder wo Männer vielleicht einen Aha-Moment erleben. Dabei geht es um Themen, die uns alle betreffen, auch im Arbeitsleben: wurscht, ob mit oder ohne Kind, egal welches Geschlecht. Ich unterstelle aber keine Bösartigkeit. Das erlebe ich im Feminismus leider oft, dass es ein Gegeneinander wird: Frauen gegen Männer. Aber es ist ja nicht der Mann das Problem, sondern das Patriarchat, das auch viele Frauen stützen.
Wie haben dich all die Gespräche geprägt und verändert?
Je intensiver ich mich mit feministischen Themen beschäftige, desto bewusster wird mir, wie viel noch zu tun ist. Ich habe, wie viele junge Frauen heute – vor allem aus der weißen Mittelschicht – auch lange geglaubt, dass wir in Österreich schon sehr gleichberechtigt sind. Am Papier stimmt das vielleicht. Aber nur weil Männer mittlerweile Kinderwägen durch die Gegend schieben, ist noch lange nicht alles gut. Im Gegenteil: Die Pandemie hat uns deutlich gezeigt, wie schnell Fortschritte zu Rückschritten werden können.
Ist dein Mann ein Feminist?
Ich plane eine „Frauenfragen“-Folge mit ihm; er hat gesagt, er macht’s (lacht). Ja, er ist ein Feminist. Und er hat ein großes Problem damit, wenn man Männer über einen Kamm schert. Er will auch nicht, dass unsere Töchter mit dem Gefühl aufwachsen, sie müssen bei Männern immer vorsichtig sein.
Wie klappt es bei euch mit der Vereinbarkeit von Familie und Job?
Es war nicht von Anfang an alles toll. Für eine Partnerschaft ist die Kleinkindphase am schwierigsten, auch aufgrund der sozialisierten Geschlechterstereotype. Auch mein Mann hat zu Beginn gesagt: „Mit einem Baby kann ich nichts anfangen.“ – Das ist ein total verbreiteter Gedanke. Ich hab drauf gesagt: ich auch nicht. Ein Baby ist süß, aber ich habe mich total einsam gefühlt daheim.
Ja, ich auch, aber ich habe mich lange nicht getraut, das zuzugeben.
Genau, weil dann stimmt ja was nicht mit dir. Als Frau muss alles natürlich kommen. Familie war doch nie so gedacht, dass eine erwachsene Person 24 Stunden mit einem Kind daheim ist. Ich sehne mich nicht nach der Großfamilie zurück, aber wir sollten versuchen, neue Modelle zu entwickeln, die Eltern das Familienleben erleichtern. Über all die Themen, die da dazugehören, zu reden, kann auch helfen und nimmt vor allem den Druck, perfekt sein zu müssen. Familie ist etwas Lebendiges. Da gibt es auch viel „try and error“, und vor allem ist es ein Prozess. Für meinen Mann ist heute total klar, dass er genauso zwei Kinder hat wie ich und dass mir genauso viel Zeit zusteht wie ihm. Ich bin da vielleicht sogar ein bisschen klarer. Wenn auch immer mit schlechtem Gewissen.
Wir kommen mit Potenzialen und Stärken auf die Welt und verlernen es leider, sie zu leben.
Mari Lang
Klarer für dich oder deine Arbeit?
Ich kann das nicht trennen. Wenn ich – wie zuletzt – zur Vorführung von Katharina Mücksteins neuer Doku „Feminism WTF“ gehe, zwingt mich ja niemand dazu, das passiert in meiner Freizeit. Jedes Buch, das ich lese, hängt mit meiner Arbeit zusammen, aber das ist auch ein Riesenprivileg.
Das ist meine Utopie für alle Menschen: dass wir nicht nur auf finanzielle Absicherung schauen, sondern uns fragen, wer bin ich und was kann ich in die Gesellschaft einbringen, das mir auch selbst dient. Wir kommen mit Potenzialen und Stärken auf die Welt und verlernen es leider, sie zu leben. Das beginnt im Kindergarten. Menschen verlassen Jobs, die sie lieben, um mehr Status zu haben, das finde ich traurig. Was passiert dann? So viele haben in Managementpositionen ein Burnout. Das Thema ist groß, ich streife das jetzt nur.
Wäre euer Vereinbarkeitskonzept ideal für alle?
Nein. Weil Menschen zu individuell in ihren Wünschen und Bedürfnissen sind. Wir funktionieren nicht wie Abziehbilder, und auch Vereinbarkeit ist ein Prozess. Für eine Mutter von einem Säugling bedeutet das etwas anderes als für eine Mutter von einem Teenager.
Wichtig wäre zu wissen, warum man die Dinge tut. Wenn ein Mann entscheidet, ein Kind zu bekommen, sollte ihm das bewusst sein, warum er das macht. Er sollte das nicht als Geschenk an seine Frau sehen. Ich glaube, dass das oft ein Missverständnis ist. Ein Kind ist kein Goldfisch, den ich einmal am Tag füttere. Kann man so machen, wenn das Futter ist, dass er das Geld heimbringt und die Frau alles andere macht. Wenn sie sich das so ausgemacht haben, dann ist das ihre Vereinbarkeit. Aber es muss den Menschen bewusst sein, was sie vereinbaren. Welche Konsequenzen das hat. Für die breite Masse braucht es jedenfalls Strukturen, in denen man sich bewegen kann. Mein großes Anliegen ist: die Aufwertung der Care-Arbeit. Frauen leisten sehr viel notwendige Gesellschafts- und soziale Arbeit gratis. So lange wir das so weiterführen, wird sich nichts ändern.
Das ganze System stützt sich darauf.
Ich denke auch immer wieder über den Satz nach: „Männer gehen nicht in Care-Berufe, weil sie schlecht bezahlt sind.“ – Jeder sagt: „Eh klar.“ Das sind eingelernte Gedankenmuster. Aber ich verstehe den Satz nicht. Weil ich eine Vagina und einen Busen habe, ist es für mich voll okay, dass ich schlechter bezahlt werde? Jetzt heißt es: „Wir müssen mehr bezahlen, damit wir Männer in diese Berufe reinkriegen.“ Oida?! Was ist das für eine Logik?! Deswegen: hinterfragen, hinterfragen, hinterfragen.