© Stefan Fürtbauer
Im Februar kommt der neue Film „Andrea lässt sich scheiden“ von und mit Josef Hader in die Kinos. Eine Tragikomödie, bei der man oft nicht genau weiß, ob man lachen darf oder nicht …
Menschen und deren Beziehungen inspirieren Josef Hader immer dazu, eine Geschichte zu erzählen. So geht es auch in seinem neuen Film „Andrea lässt sich scheiden“ um eine Polizistin in der niederösterreichischen Provinz, deren gescheiterte Ehe und ihren Wunsch nach beruflicher Veränderung. Wieder sind es die Menschen mit ihren Eigenheiten und der lakonische Humor Haders, die den Film so besonders machen. Wir haben mit Josef Hader über seine Vorfreude auf die Premiere bei der Berlinale gesprochen und welche Reaktionen vom Publikum ihn freuen würden.
Ihr neuer Film feiert bei der Berlinale Premiere. Wie sehen Sie dem denn entgegen? Freudig-gespannt oder auch ein bisschen nervös?
Josef Hader: Einerseits freudig, weil nach sehr vielen Wochen, in denen man den Film irgendwo in einem Kammerl schneidet und beim Tonmischen dabei ist, kommt jetzt der Moment, wo der Film auf das Publikum trifft. Das ist natürlich sehr spannend für mich – im Kino mitzuverfolgen, wie die Reaktionen sind. Dafür hat man den Film eigentlich gemacht. Andererseits bedeutet die Berlinale mit dem anschließenden Filmstart in Österreich auch sehr viel Arbeit mit vielen Interviews und Präsentationen. Ich ziehe gern mit dem Film durch die Kinos, aber lieber wär‘ mir, wenn das alles nicht so dicht gedrängt wäre. Also bin ich schon sehr in Vorfreude. Aber ich weiß, dass ich auch recht freudig sein werde, wenn das Ganze wieder vorbei ist.
Stichwort Reaktionen vom Publikum: Was ist das Schönste, was man Ihnen sagen kann, wenn man den Film gesehen hat?
(überlegt) Vielleicht, wenn jemand sagt: Ich habe oft gelacht, aber nicht genau gewusst, ob man da lachen darf. Das war bei beiden Publikum-Screenings, die wir gemacht haben, der Fall. Die Leute haben öfter auch erstaunt gelacht, weil sie nicht damit gerechnet haben, dass so eine Situation lustig sein kann. Ein bisschen so wie in meinen Kabarettprogrammen.
Sie erzählen die Geschichte recht unaufgeregt. Hauptfigur Andrea (Birgit Minichmayr) ist keine Frau der großen Worte, überhaupt wird in vielen Szenen zwischendurch immer wieder geschwiegen …
Ich schreibe immer sehr viele Fassungen von einem Drehbuch und schaue tatsächlich von Fassung zu Fassung darauf, mit weniger Worten auszukommen. Im Film wird ja viel in Bildern erzählt und auch das Komische passiert oft in Bildern. Es muss nicht immer im Dialog sein. Und die Schauspieler sollen auch eine gewisse Freiheit haben und nicht in zu vielen Drehbuchsätzen ersticken. Darum bemühe ich mich, dass es nicht zu geschwätzig wird (lacht).
Wie schon bei Ihrem ersten Film „Wilde Maus“ spielen wieder menschliche Beziehungen die Hauptrolle. Sind Menschen und deren Beziehungen – auch zu sich selbst – etwas, was Sie immer inspiriert?
Im Film muss es immer um menschliche Beziehungen gehen, das geht gar nicht anders. Etwas anderes zu behandeln, das kann sich vielleicht ein Kabarettprogramm erlauben, das ein reiner Monolog ist, aber im Film zeigt man immer Menschen, die miteinander zu tun haben. Das ist die Hauptattraktion, zumindest in Österreich. Hier kann man ja keine großen Blockbuster machen wie in Amerika, wo es darum geht, dass ein großer Held völlig allein und auf sich gestellt die Erde rettet. Dafür haben wir hier nicht genug Budget, und eigentlich muss man sagen – Gott sei Dank! Wir machen mit wenig Geld Filme über Menschen, und das ist ganz gut so.
Ihre Geschichte von diesem kleinen Dorf in Niederösterreich und dessen Menschen wirkt sehr authentisch. Dabei leben Sie ja schon lange in Wien und sind durch und durch Städter …
Mein Bild vom Land ist einerseits eine Kindheits- und Jugenderinnerung – geprägt von meinen ersten 20 Lebensjahren (Anm. d. Red.: Josef Hader wurde in Waldhausen geboren und ist im niederösterreichischen Nöchling aufgewachsen). Andererseits bin ich auch seither nicht vom Land abgeschnitten, ein Teil meiner Familie lebt ja dort. Mein Bruder hat jetzt den Bauernhof zu Hause, er spielt eine kleine Rolle im Film.
Zwei andere Nöchlinger spielen sogar größere Rollen. Birgit Minichmayr ist aus Pasching, Maria Hofstätter aus Gramastetten – mir war wichtig, dass wir alle, die da mitspielen, vom Land kommen und sich dort auskennen. Dann habe ich noch Kontakt zu einem sehr guten Freund aus der Volksschulzeit. Dadurch kenne ich mich ganz gut am Land aus, auch was die Gegenwart betrifft. Es ist nur so, dass sich die Vergangenheit und die Gegenwart in mancherlei Hinsicht gar nicht so unähnlich sind am Land.
Was hat sich wenig verändert?
Zum Beispiel die Art und Weise, wie Frauen und Männer miteinander umgehen. Welche Taktiken Frauen anwenden müssen, damit sie gehört werden. Es ist zwar je nach Familie unterschiedlich, aber ich habe schon das Gefühl, dass am Land die Männer grundsätzlich noch immer ein bisschen mehr zu entscheiden haben und sich die Frauen ein bisschen mehr auf die Füße stellen müssen, um ihre Interessen durchzubringen.
Haben Sie beim Schreiben und Ausarbeiten der Figuren auch schon den einen oder anderen Schauspieler im Kopf oder sucht man den Cast erst, nachdem die Geschichte fertig ist?
Ich habe von Fassung zu Fassung immer mehr Schauspielerinnen und Schauspieler im Kopf, die mitspielen könnten. Birgit Minichmayr war da schon sehr früh als Andrea in meinem Kopf und auch ich selbst für die Rolle des Religionslehrers. Wen ich mich zuerst gar nicht fragen getraut hab, war Thomas Stipsits, weil ich mir nicht sicher war, ob er so eine Rolle spielen mag.
Es ist eine sehr ungewohnte Seite von ihm, viel dramatischer als in den meisten seiner bisherigen Filme, und er spielt sie wirklich großartig. Und so denkt man mit der Zeit an immer mehr konkrete Besetzungen, während man noch schreibt. Dann fragt man alle, ob sie mitmachen wollen, und wenn sie zusagen, ist der zweite Schritt, mit ihnen das Drehbuch durchzugehen und ihre Ideen aufzunehmen. Das Drehbuch kommt ihnen sozusagen ein paar Schritte entgegen.
Inwiefern hat sich zum Beispiel die Figur von Andrea durch Birgit Minichmayr noch verändert?
Es hat sich einiges verändert, weil Birgit nicht nur ein Naturwunder von einer Schauspielerin ist, sondern auch ein Seismograf für alles im Drehbuch, was noch nicht ganz passt. Ich bin mir nicht sicher, wie gut der Film ist, aber beim Cast bin ich mir ganz sicher, dass er ideal für diesen Film ist.
Im Gegensatz zur „Wilden Maus“ haben Sie einen kleineren Part vor der Kamera übernommen …
Ja, das hat sich durch die Geschichte ergeben. Für mich war klar, dass eine Frau die interessantere Figur ist, wenn die Geschichte auf dem Land spielt. Andrea ist die Hauptfigur, sie steht im Mittelpunkt und ist umgeben von, ich sage einmal, etwas verhaltensauffälligen Männergestalten. Da bin ich einer davon. Ich spiele den, der am fertigsten ist, also die ideale Rolle für mich.
Polizist Georg sagt an einer Stelle: „Es ist eine Scheißgegend, die Frauen ziehen weg und die Männer werden immer komischer.“
Das ist ein Satz, der etwas beschreibt, was nicht nur in manchen Gegenden in Österreich passiert, sondern in vielen ländlichen Teilen Europas. So gesehen könnte diese Geschichte überall spielen – von Ostdeutschland bis Nordfrankreich. Ich habe zum Beispiel einen Krimi gelesen, der in der Normandie spielt, und dort ist es genau dasselbe.
Manche Männer, aber auch Frauen bleiben sozusagen über – entweder weil sie niemanden gefunden haben oder die Ehe in die Brüche gegangen ist. Immer weniger Leute wollen sich so ein Leben antun, mit soviel Arbeit und praktisch ohne Urlaub. Die kleineren Betriebe machen dicht, auch deshalb, weil in ganz Europa die großen Landwirtschaftsfabriken mehr gefördert werden als die kleinen Bauernhöfe.
Hat Ihre Geschichte somit auch ein bisschen Gesellschaftskritik als Hintergrund?
Gesellschaftskritisch ist ein komisches Wort, das wird ja praktisch für alles verwendet. Ein bisschen Gesellschaftskritik kann man sogar im „Traumschiff“ erleben, wenn die Produzenten meinen, es wäre wieder einmal Zeit für ein bisschen Gesellschaftskritik im Hintergrund. Es geht bei einem Film, der am Land spielt, jedenfalls nicht darum, die Landmenschen zu kritisieren. Sie sind weder dümmer noch böser als die Menschen in der Stadt. Sie sind – so wie wir alle – ein bisserl deformiert von ihrer Umgebung.
Die Stadtmenschen sind von der Stadt deformiert und die Landmenschen vom Land. Das kann man gar nicht verhindern, das passiert automatisch. In einer realistischen Komödie geht es vielleicht darum, diese Menschen zu beschreiben – mit all ihren Eigenarten, wo sie eben nicht so einwandfrei sind. Wenn Verletzungen passieren, dann ist es oft gar keine böse Absicht, sondern vielmehr Unbeholfenheit. Ich finde, das gilt generell zwischen Menschen. Es passieren viel mehr Verletzungen, weil man unachtsam ist, und nicht, weil es so viele böse Menschen gibt. Darum ist es auch ein Film über Menschen, in dem es keine Guten und keine Bösen gibt.
ZUM FILM
Andrea (Birgit Minichmayr) ist Polizistin in der niederösterreichischen Provinz. Sie möchte ihre unglückliche Ehe beenden und dann in St. Pölten eine neue Stelle als Kriminalinspektorin beginnen. Nach einer Geburtstagsfeier läuft ihr Noch-Ehemann Andi (Thomas Stipsits) betrunken vors Auto und stirbt. Im Schock begeht Andrea Fahrerflucht. Dann erlebt sie mit Erstaunen, wie jemand anderer ihre Schuld bereitwillig auf sich nimmt: Franz, Religionslehrer und trockener Alkoholiker (Josef Hader), hält sich für den Täter. Und während Franz wieder zu trinken beginnt und zielsicher seinem Untergang entgegen taumelt, bemüht Andrea sich, ihre Spuren zu verwischen … „Andrea lässt sich scheiden“ kommt am 23. Februar in die österreichischen Kinos.