Glück ist machbar
Mit 18 Persönlichkeiten ist Nadja Maleh aktuell unterwegs. Wir trafen sie alle, ehe sie mit ihnen nach Niederösterreich kommt. Pathologisch ist das nicht, aber sehr lustig.
© Markus Van der Man
Es tut so gut, so unglaublich gut, Nadja Malehs 18 verrückten Persönlichkeiten an einem Abend zu begegnen. Man kann gar nicht anders, als die Sorgen ziehen zu lassen, weil all die Figuren, die sie da über die Bühne hüpfen lässt, ungeteilte Aufmerksamkeit verlangen. Seien es nun Ramona, die Aerobiclehrerin, die ihrem Optimismus mit Weisheiten wie „Mein Bett ist halbvoll“ Ausdruck verleiht, der triebgesteuerte Feldherr aus dem alten Rom oder die Kindergartenpädagogin Melanie, die sich nach vielen gescheiterten Anläufen, ihren Beruf korrekt zu benennen, sich lieber als „euchenere Tante“ vorstellt. Nadja Maleh jongliert mit Charakteren, als gäbe es nichts Leichteres, und streut scharfsinnige Gesellschaftskritik drüber wie ein duftendes Kräutersalz. Das gibt es übrigens nach dem großen Applaus im Foyer zu kaufen: Weil „malih“ auf Arabisch Salz bedeutet, komponierte sie mit dem steirischen Bio-Kräuterhof Zemanek „Glück zum Drüberstreuen“ – quasi als Erinnerung an die letzten Worte ihres Programms: „Glück ist so dermaßen machbar!“
Das Wiener Kabarett CasaNova ist bei ihrem achten Soloprogramm „Bussi Bussi“ bis auf den letzten Platz gefüllt. Und weil die Frau wahnsinnig komisch und außerdem noch erfolgreiche Achtsamkeitstrainerin ist, baten wir sie sogleich um ein Interview – quasi um die Wartezeit auf ihre drei April-Auftritte in Niederösterreich zu verkürzen.
Ausverkaufte Vorstellungen, viele positive Kritiken. Wie erlebst du selbst die Anfangsphase deines neuen Programms?
Nadja Maleh: Traumhaft! Ich bin auch erleichtert, dass ich nicht mehr proben muss (lacht). Irgendwann kommt der Moment, wo ich weiß, dass es nur noch besser wird, wenn ich es mit dem Publikum erfahre. Es muss alles sehr gut vorbereitet werden, aber dann muss man springen und mit dem Publikum floaten.
Wieso „Bussi Bussi“?
Die Idee hatte ich interessanterweise vor Corona, nicht ahnend, dass das der wunde Punkt der Gesellschaft wird. Das Thema ist: Wie geht es uns mit zwischenmenschlicher Nähe, wie können wir Verbundenheit kultivieren und wie kann man unterschiedlicher Meinung sein, ohne sich den Kopf einzuschlagen? Im weitesten Sinn geht es um eine friedliche Kommunikation. Es ist aber Kabarett: Ich fasse das Thema humorvoll an, spiele verschiedene Figuren – und jede einzelne von ihnen hat eine andere Vorstellung davon, was Verbundenheit ist.
Wie hast du deine ursprüngliche Idee adaptiert?
Was wirklich spooky ist: Ich hatte vor der Pandemie bereits ein Pressefoto, auf dem ich eine Puppe umarme. Das stand für mich für künstliche Intelligenz, einander nicht mehr zuhören und nicht mehr in Kontakt gehen. Das Bild habe ich dann verworfen und ein deutlich humorvolleres genommen. Inhaltlich geht es um die Bussi-Bussi-Gesellschaft; Zieht man ein Bussi ab, bleibt was Feines über, nämlich ein Bussi. Aber wie geht das jetzt? Wem darf man näher kommen, wer darf mir näher kommen, was drückt man damit aus? Brauchen wir das überhaupt noch oder wollen wir nur mehr von Weitem winken und virtuelle Meetings haben?
Hat dich Corona in Bezug auf Nähe verändert?
Nur temporär. Die Leute, die ich vorher gern umarmt habe, umarme ich jetzt wieder gern.
Und insgesamt?
Ich achte noch mehr darauf, mir treu und authentisch zu bleiben, Herz und Hirn eingeschaltet zu haben und mich nicht mitreißen zu lassen, von welcher Richtung auch immer.
Erzähl bitte über deine Ausbildung, was hat dich dazu geführt?
Ich hatte lange den Wunsch nach einer Weiterbildung. Als ich festgestellt habe, dass während der Pandemie die Auftritte länger ausfallen werden, bin ich durch Zufall auf das Mindful Leadership Institut gestoßen – und habe das sofort spannend gefunden. Schließlich ist jeder eine Führungskraft: Jeder coacht sich selbst durch den Tag, muss sich selber zuhören und versuchen, mehr Bewusstheit in sein Leben zu bringen.
Die Achtsamkeitsausbildung ging über ein Jahr, online und in Präsenz. Es hat mir irrsinnig geholfen, mit meinen Ängsten und Unsicherheiten umzugehen – und es hat recht schnell geklappt, dass ich das auch ausüben kann. Ich komme in Unternehmen und mache Trainings für Mitarbeitende und Führungskräfte. Konkret heißt das: Achtsamkeit in Organisationen.
Man kann anderer Meinung sein und nicht wegrennen. Das ist schon Friedensarbeit.
Nadja Maleh, Achtsamkeitstrainerin
Was passiert dabei?
Wir schauen uns Gewohnheiten an, welche zielführend sind und welche nicht. Ich richte den Fokus auch auf Stressmanagement, und wir lernen Übungen. Klar sollten wir jeden Tag eine Stunde die Yogamatte ausrollen, aber das geht sich nicht aus. Niemand kann allerdings sagen, dass er nicht zwei Minuten Zeit hat, um tief durchzuatmen, sich zu strecken, innezuhalten und sich selber ein Gesprächsangebot zu machen: Wie geht es mir gerade? Das ist wirklich nur eine Frage von Absicht und Bewusstsein.
Schon ein paar Minuten würden viel verändern?
Wahnsinnig viel! Wenn man diese Übungen regelmäßig macht, will man gar nicht mehr ohne sein. Irgendwann will man es dann auf drei oder fünf Minuten ausdehnen, bevor es einen als Grundzustand begleitet. Das braucht Zeit; Achtsamkeit ist wie ein Muskel, den man trainiert.
Wir sind umgeben von Krieg und Krisen. Wie begegnest du Ängsten?
Ich befeuere sie nicht. Wenn ein Angstgedanke kommt, sortiere ich für mich: Ist das eingebildet, ist es angebracht oder steigere ich mich hinein? Macht es etwas besser, wenn ich Angst habe? Wir haben die Möglichkeit, aufzuhören Angstgedanken zu viel Energie zu geben; wir können einmal um den Block gehen, atmen, ein Glas Wasser trinken und versuchen, die Aufmerksamkeit von den Ängsten abzuziehen.
Zurück zur Bühne: Woher kommen die 18 Personen auf der Bühne und was wollen sie?
Ich befürchte aus mir selber, das sind alles Anteile von mir, die gelebt werden wollen (lacht). Ich beobachte an mir selber und an anderen, halte die Lupe auf einzelne Charakterzüge. Es gibt nie konkrete Vorlagen für meine Figuren, ich setze sie aus Puzzlesteinen zusammen.
Mein Kabarett ist immer eine Einladung, sich berühren zu lassen und neue Aspekte zu erkennen. Allein die Tatsache, dass ich halbe Syrerin bin, kann dazu beitragen, Vorurteile gegenüber Syrern abzubauen, wenn man mich sieht und sich denkt: Na bitte, die ist eh normal. – Wobei: Nein, ich bin nicht normal (lacht). Kabarett hat immer den Auftrag, auch sozialkritisch zu sein. Jemand kann anderer Meinung sein als ich, dafür ist Platz, man kann mir trotzdem zuhören. Dann ist schon viel Friedensarbeit geleistet, wenn jemand sitzen bleibt und nicht schreiend hinausrennt.
Die Frauen werden mehr im Kabarett – wie erlebst du das?
Ja, das ist fantastisch, und ich staune: Es gibt einen neuen Stil, der ist sehr frech und politisch – ich bin komplett begeistert. Ich war einmal die junge Wilde, ich fühl‘ mich plötzlich alt (lacht).
Ich hab‘ mir geschworen, keine Altersfragen zu stellen, ich sage nur: Du schaust einfach großartig aus!
50! Ich sag’s auch auf der Bühne, mich kannst du alles fragen. Ich finde es sogar wichtig, dass ich das einfach sage und nicht verschleiere und verschönere. Und: Danke für das Kompliment. Ich achte auf mich und darauf, was ich mir zuführe: an Nahrung, Menschen und Informationen. Ich hab‘ wahrscheinlich auch gute Gene, meine Mama schaut super aus, mein Vater hat auch immer jünger ausgesehen. Ich hab‘ einfach Glück und der Rest ist Pflege: vor allem von inneren Einstellungen.
Gibt’s noch Vorurteile gegenüber Frauen im Kabarett?
Ja! Das hält sich noch, dass Frauen kein Publikum ziehen oder nicht lustig sind. Ich hab‘ für mein aktuelles Programm eine wahnsinnig schöne Kritik in der „Presse“ gehabt: Die Journalistin schrieb, ich war eine der ersten Frauen im modernen Kabarett und habe bewiesen, dass Humor gendergerecht ist. Das hat mich zutiefst berührt. Ich weiß nicht, wie oft ich erklären musste, dass ich kein Frauenkabarett mache. Männer machen ja auch kein Männerkabarett. Ich spreche menschliche Themen an, aus einer weiblichen Sicht, weil ich nun mal eine Frau bin. Ich bin aber weder männer-, noch frauenfeindlich, ich bin kritisch!
Wie stehst du zum Feminismus?
Ich hab‘ kürzlich eine schöne Situation erlebt, wo ein Mann in einem Gespräch groß die Stimme für Frauenrechte erhoben hat. Da atmet mein Frauenherz auf, weil ich weiß, dass wir die Männer an unserer Seite brauchen. Es muss aufhören, dass, wenn wir Frauen für unsere Rechte kämpfen, noch immer Bremsen und Widerstände kommen. Wir müssen an einem Strang ziehen. Es gibt unendlich viele Studien darüber, dass wenn Frauen mehr Gleichberechtigung erleben, es auch den Männern besser geht – gesundheitlich und emotional. Ich wünsche mir, dass das feministische Thema komplett den Touch „wir gegen euch“ verliert: Es geht um Menschenrechte.
Nadja Maleh
… wurde 1972 geboren – als „Syrolerin“, wie sie selbst sagt: als Tochter eines Syrers und einer Tirolerin. Sie schloss ihre Schauspielausbildung in Wien ab und ist seither auch als Kabarettistin, Sängerin und Regisseurin erfolgreich. Sie steht regelmäßig vor der Kamera, zuletzt für: „Schnell ermittelt“ und die Kabarett-Shows „Die Tafelrunde“ und „Fakt oder Fake“. Nadja Maleh ist außerdem Achtsamkeitstrainerin. Mit ihrem neuen Programm „Bussi Bussi“ ist sie demnächst in Niederösterreich zu sehen: 13. April, Bettfedernfabrik Oberwaltersdorf; 14. April, Wilheringerhof Klosterneuburg; 27. April, Stadtgalerie Mödling.
www.nadjamaleh.com