Eine Zeitschrift öffnet Horizonte

Renina war die jüngste Assistentin des berühmten Philosophen Martin Heidegger, heiratete Fred, den Neffen von Marlene Dietrich, doch die Ehe mit dem Atomphysiker wurde zum Desaster. 1953, mit nur vierundzwanzig Jahren, gründete sie die erste Frauenzeitschrift Deutschlands und setzte sich mit ihrer „Lady“ für ein neues Rollenverständnis der Frau ein.

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ARCHITEKTIN & AUTORIN Jana Revedin setzt ihrer Mutter ein Denkmal. © Martin Rauchenwald

Die Universitätsprofessorin für Architektur und Städtebau Jana Revedin hat mit ihrer Bestseller-Trilogie „Jeder nennt mich Frau Bauhaus“, „Margherita“ und „Flucht nach Patagonien“ bemerkenswerte Frauen der liberalen 1920er-Jahre in unsere Erinnerung zurückgerufen. In ihrem neuesten Buch „Der Frühling ist in den Bäumen“, welches am 15. August im Aufbau Verlag erschienen ist, reist sie mit uns in die reaktionären 1950er-Jahre und lässt uns das Schicksal ihrer Mutter Renina entdecken.

Jana, was hat Sie veranlasst, einen Roman über das Leben Ihrer Mutter zu schreiben?
Jana Revedin: Sie selbst. In ihren letzten Lebensjahren hatte sich meine Mutter einen Bauernhof in Kärnten gekauft. „Hier will ich sterben, und du bist bei mir“, sagte sie zu dieser für eine intellektuelle Städterin doch sehr originelle Wahl. Aber sie wusste, ich würde mich in dieses kleine verwilderte Anwesen verlieben, denn es lag nahe von Venedig, wo ich mit meiner Familie lebte. Ich war Architektin geworden und konnte den Hof für sie sachte und mit der nötigen Ruhe restaurieren. Im letzten Sommer ihres Lebens sagte sie: „Irgendwann schreibst du meine Geschichte auf.“

DIE LETZTE AUSGABE erschien im Jahr 1971. © Privatarchiv Jana Revedin

Wie erfolgreich war ihre Zeitschrift „Lady“?
Die „Lady“ machte ihre Epoche. Kaum jemand konnte damals nach Paris, Mailand oder London reisen, wo die Mode-, Design- und Theatertrends geschrieben wurden, erst recht nicht nach New York, wohin die Kunst-, Philosophen- und Literaturszene ausgewandert war. Mit der „Lady“ reiste jedermann, jedefrau mit. Die von Marlene Dietrich initiierten „Weekends mit Lady“ waren ein Wegweiser für diese Öffnung zu einem jungen, gar nicht verwöhnten, sondern schlicht kulturbegeisterten Publikum. Man konnte eine damals kaum bekannte Maria Callas in einer verlassenen Grotte auf Capri den Mond besingen hören, mit dem jungen Nouvelle-Cousine-Rebellen Paul Bocuse auf Lyoner Bierbänken speisen, mit Diors Nachwuchstalent Yves Saint-Laurent die verborgenen Bazars von Marrakesch erkunden, mit Peggy Guggenheim barfuß den durchwindeten venezianischen Lido entlangflanieren …

Die letzte Ausgabe der „Lady“ erschien – nach familiären Zwistigkeiten – im Jahr 1971. Hat Ihre Mutter dem Verlust ihres Magazins nachgeweint?
Sicherlich! Doch sie hat es uns keinen Augenblick gezeigt. Ich war damals erst fünf Jahre alt, doch ich erinnere mich genau an die Gespräche bei Tisch. Der Verlag wurde von einem auf den anderen Tag einfach nicht mehr erwähnt. Sie schloss also mit diesem Lebenskapitel ohne Groll ab und eroberte sich eine neue, unabhängigere Position: Sie wurde zur Presseberaterin ihrer liebsten Kunden, Hermès, Chopard, Fürstenberg, Chaumet, Yves Saint-Laurent, … Und sie erfand eine neue Zeitschrift, „Le Monde d‘Hermès“, in einem Augenblick, in dem in Köln die allererste Hermès- Boutique jenseits des Pariser Faubourg Saint-Honoré geplant wurde. Eine Zeitschrift öffnet Horizonte, Hermès wurde folgerichtig in nur wenigen Jahren zum Weltmarktführer in Sachen feinster Handwerkskunst.

Das beiliegende Foto zeigt Renina mit den wichtigsten Parfumeurs jener Zeit. Wie konnte Ihre Mutter in dieser männlich geprägten Welt bestehen?
Durch die Qualitäten, die wir beim Reiten gelernt haben: Haltung zeigen, dabei doch geduldig sein und über unsere Fehler lachen können!

Was wurde eigentlich aus Fred? Haben sich seine und Reninas Wege wieder gekreuzt?
Wer weiß? Nicht, dass sie je davon erzählt hätte.

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