Der Körper ist mein Instrument!
Das Interview mit Primaballerina Natalya Kusch.
© Ronnie Böhm
Als Primaballerina tanzte sie sich weltweit in die Herzen ihres Publikums. Nun folgt die berühmte Balletttänzerin Natalya Kusch ihrem eigenen Herzen – und kehrt nach Jahren auf den größten Bühnen der Welt zurück nach St. Pölten. Der Liebe wegen.
Mit 16 Jahren kam Natalya Kusch, geboren im ukrainischen Nikopol, vom Theatre Dnepropetrovsk nach
St. Pölten, um hier an der Akademie des Europaballetts St. Pölten ihre Ausbildung zu beenden. Ihr erstes Engagement als professionelle Balletttänzerin führte sie an die Wiener Staatsoper, wo sie Manuel Legris als Solotänzerin verpflichtete, nachdem sie erstmals die Rolle der Giselle in „Giselle“ getanzt hatte. Danach folgten Engagements als Erste Solistin in den renommiertesten Häuser der Welt: Sie tanzte in Australien mit dem Queensland Ballett und dem Australian Ballet, im Universal Ballet in Seoul, im Royal New Zealand Ballet, im Teatro dell‘Opera di Roma und die Rolle der „Carmen“ am Bolshoi Ballet in Moskau. Als mittlerweile international gefragte Primaballerina führte sie der Weg weiter zu Vladimir Malakhov ans slowakische Kosice National Ballet und 2020 zum ukrainischen Nationaltheater in Odessa. 2022 kam sie aufgrund des Krieges in der Ukraine nach München, wo sie an der Munich International Ballet School lehrte.
Primaballerina: Neue Aufgabe in St. Pölten
Im Zuge der Umstrukturierung der Ballettausbildung in St. Pölten, wo Natalya Kusch auch in Zukunft unterrichten wird, entwickelte sie ein eigenes Ausbildungsprogramm zur Förderung besonderer Talente, um die jungen Tänzerinnen und Tänzern auf ihrem Weg als Solisten an die großen Ballettbühnen zu unterstützen. Zum Zeitpunkt des Interviews mit Natalya Kusch tanzte sie mit dem Royal Czech Ballett in Australien und Neuseeland 30 „Dornröschen“-Vorstellungen. Nach vier „Schwanensee“-Vorstellungen in Athen und nochmals drei „Nussknacker“-Vorstellungen im australischen Adeleide im Dezember wird sie nach St. Pölten zurückkehren.
Auf ‚Schwanensee‘ in der Inszenierung von Peter Breuer freue ich mich ganz besonders.
Natalya Kusch
Natalya, Sie sind derzeit am anderen Ende der Welt auf Tour mit „Sleeping Beauty“ und feiern große Erfolge in den Metropolen Australiens und Neuseelands. Freuen Sie sich schon auf ein „Pas de deux“ in Ihrem Zuhause in St. Pölten?
Es ist kaum mit Worten zu beschreiben, wie sehr ich mich bereits wieder auf das Nachhausekommen freue! St. Pölten ist für mich nicht nur eine wunderschöne Barockstadt mit enormer Lebensqualität, sondern der Platz, wo alles für mich begann, wo man mir die Chance gab, die Basis für meine Karriere zu schaffen, wo ich vom Europaballett St. Pölten und Schida Moubariakova unterstützt und ausgebildet wurde.
Sie sind mit nur 16 Jahren aus der Ukraine nach St. Pölten gekommen. Wie schwer war das Weggehen aus Ihrer Heimat?
Es war enorm schwer! Meine Familie lebte immer sehr bescheiden, und wir mussten mit wenig finanziellen Mitteln auskommen. Trotzdem fühlte ich mich immer geborgen und wohl. Das Weggehen war daher nicht leicht für mich. Allerdings wurde ich damals von Michael Fichtenbaum, dem Direktor des Europaballett und der Akademie, mit offenen Armen empfangen, und ich erhielt ein Vollstipendium, bereitgestellt von der Stadt St. Pölten, beim heutigen Europaballett.
Wollten Sie immer Balletttänzerin werden, oder gab es eine Alternative?
Für mich war es eine alternativlose Berufung. Niemals kamen Zweifel oder Unsicherheiten auf. Ich konzentrierte mich damals, wie auch heute noch, nur auf das Hier und Jetzt, auf meine Arbeit, auf mein tägliches Training, und ich habe gleichzeitig versucht, für alle Chancen offen zu bleiben. Ich denke, es ist entscheidend, dass man einerseits genau weiß, was man möchte, andererseits aber auch eine Art Flexibilität entwickelt. Man weiß nie genau, was das Leben bringt, und ich rate allen jungen Tänzern, mutig Herausforderungen anzunehmen, aber im Kern immer seiner Berufung zu folgen und sich nicht zu verbiegen. Wichtig ist Selbstvertrauen, sich auf sich selbst zu fokussieren, auf Intrigen und sonstige Störgeräusche nicht einzugehen und täglich hart und smart zu arbeiten. Der Körper ist unser Instrument, und dieses muss richtig gespielt werden, ansonsten folgen schnell Verletzungen und ein frühes Karriereende.
Die Ballerina Privat
Im Sommer 2024 werden Sie in St. Pölten die Hauptrolle im berühmtesten Ballett aller Zeiten tanzen: „Schwanensee“ zur Musik von Pjotr Iljitsch Tschaikowski, der Traum einer jeden Tänzerin. Wie sehr lieben Sie Ihren Part als Schwanenprinzessin?
Es ist eine spannende Aufgabe, da in den meisten Versionen Odette/Odile (Schwarzer Schwan und Weißer Schwan, Anm.) als Doppelrolle gespielt wird. Ich habe deutlich über einhundert „Schwanensee“-Vorstellungen in meiner Karriere getanzt, und trotzdem ist es immer wieder etwas Besonderes.
Was bedeutet Ihnen die Zusammenarbeit mit dem bekannten Choreografen Peter Breuer?
Peter Breuer hat selbst, ebenfalls wie ich, hunderte Vorstellungen von „Schwanensee“ getanzt und kennt den Kern und die Haltung des Originalwerks. Das ist mir besonders wichtig. Er ist ein begnadeter Choreograf, der es schafft, im sehr neoklassischen Stil zu arbeiten. Das kommt mir als sehr klassisch orientierte Ballerina entgegen. Insbesondere seine Version von „Schwanensee“ schafft den Spagat zwischen traditioneller Prägung und einer doch in Teilen sehr in die Neuzeit transferierten Inszenierung. Ein sehr spannendes Projekt, auf das ich mich besonders freue!
Im Sommer, am 27. Juli, haben Sie Thomas Fichtenbaum geheiratet und werden mit Ihrem Ehemann in St. Pölten leben. Tut es – bei all ihren umjubelten Erfolgen – gut, in Zukunft nicht mehr „aus dem Koffer“ leben zu müssen?
Thomas und ich kennen uns schon aus meinen Anfängen beim Europaballett. Er hat damals sogar ein Stück für mich choreografiert, welches in Johannesburg aufgeführt wurde. Es ist fast wie im Märchen, dass sich unsere Wege viele Jahre später wieder kreuzten, wir uns als gereifte Menschen wieder begegneten und uns sofort ineinander verliebten. Es tut richtig gut, nicht mehr aus dem Koffer leben zu müssen, ja. Wir wohnen in Oberwölbling, das liegt zwischen St. Pölten und Krems. Ich genieße die frische Luft vom Dunkelsteinerwald, Spaziergänge in den Weingärten im Krems- und Traisental und natürlich das Flair der Barockstadt St. Pölten. Ich bin sehr glücklich, auch wenn ich trotzdem weiterhin weltweit gastieren werde und mich das Reisen noch einige Jahre begleiten wird. Aber ist es deutlich weniger, und das ist genau richtig so.
Folgen Sie Natalya Kusch auf www.natalyakusch.com und www.europaballett.at.
Die sechs „Schwanensee“-Aufführungen finden vom 28. Juni bis zum 13. Juli 2024 statt.
Infos auf www.sommertheaterpark.at