Be Kind!

Evelyn Ruzicka ist das Paradebeispiel einer starken Frau.

7 Min.

© Christine Miess

Sie weiß, was sie kann, glaubt an sich, zeigt Gefühle, blendet Negatives nicht aus, sondern packt Herausforderungen an, sie steht zu sich und ihren Träumen und wird nicht müde, diese zu verfolgen. Die letzten Jahre waren durch zwei Rückschläge geprägt: Da war zum einen die Diagnose frühzeitiger Wechsel mit nur 34 Jahren und zum anderen die Erkrankung an Long Covid. Frisch aus den Studioaufnahmen für ein Duett mit Katharina Straßer zurück, besuchte uns die quirlige Sängerin und Schauspielerin mit ihrem Hund „Lao“ auf ein sympathisches Gespräch über die Diagnosen, den neuen Künstlernamen, die demnächst erscheinende EP und ihre Zukunftspläne.

Eve, im Juli hast du deine Single „Karma Baby“ veröffentlicht, die EP „Luft nach oben“ kommt am 10. Oktober heraus. Das ist kein zufälliges Datum, oder?
Nein (lacht), das ist mein 41. Geburtstag. Ich habe mir das so gerichtet. Da ich mein eigenes Label habe, ist das möglich. Die Release-Daten waren der 07.07. mit „Karma Baby”, der 08.08. mit „Lasagnyeah”, am 09.09. hab ich die sehr persönliche Single „Na i ned” veröffentlicht, und das Finale macht die EP „Luft nach oben” an meinem Geburtstag. Ein Zahlenspiel, wie ich es will (lacht). Der 10. Oktober war übrigens auch das Erscheinungsdatum des Piaf-Albums (Info siehe unten). Ich bin da ein bisschen abergläubisch, denke, dieses Datum bringt mir Glück. Schräg ist, dass der 10. Oktober (1963) auch Piafs Todestag ist.

Was sind das für Lieder, die du auf der EP präsentierst?
Ein Potpourri aus ganz vielen Jahren. Die Lieder sind teilweise letztes Jahr entstanden, teilweise vor fünf Jahren oder beschreiben Situationen, die noch länger her sind, aber jetzt endlich herauskommen.

Schreibst du deine Lieder selber?
Teilweise. „Karma Baby“, zum Beispiel, habe ich allein geschrieben. Aber ich habe ein Kernteam, mit dem ich zusammenarbeite. Dazu gehört zum Beispiel Elisabeth Kaplan, eine großartige Frau und Komponistin, die mich schon lange begleitet.

In deinen Texten verarbeitest du Erlebtes, das nicht immer schön ist …
Genau. Wer mich näher kennenlernen will, soll einfach meine Texte lesen (lacht). Aber ganz im Ernst, es stimmt, dass es die letzten Jahre in sich hatten.

Die EP „Luft nach oben“ von Eve Kind erscheint am 10. Oktober 2023.

Da erhieltst du die Diagnose „Wechsel mit 34“, die du, ebenso wie den damit verbundenen unerfüllten Kinderwunsch in deinem Song „Na i ned“ verarbeitest.
Ja. Alles fing damit an, dass ich dachte, ich sei schwanger, weil meine Periode ausgeblieben war. Drei Schwangerschaftstests zeigten mir aber, dass dem nicht so war. Wie es im Lied heißt: Verwechselt hab ich das Gefühl. Ich bin dann zur Ärztin gegangen, die meinte: „Na ja, entweder Sie haben einen Gehirntumor oder hormonelle Störungen, oder Sie sind im Wechsel – aber Blödsinn, Sie sind ja erst 34!“ Letzteres war dann die Diagnose. Damals wollte ich wirklich ein Kind, habe mich auch an eine Kinderwunschklinik gewandt, aber da ich keine Eizellen mehr hatte, konnte man nichts mehr machen. Ich glaubte dennoch noch lange, ich wäre ein Wunder, und das würde schon noch werden. Es hat Jahre gedauert, bis ich es annehmen konnte, mittlerweile habe ich mich aber damit abgefunden, keine Kinder zu haben. Jetzt bin ich halt Hundemama. „Lao“ ist wie mein Kind (lacht).

2020 der nächste Rückschlag: Du bist an Long Covid erkrankt. Welche Symp­tome hattest du?
Ja, die Studioaufnahmen im Mushroom Studio hatten begonnen und zugleich ging Long Covid los. Covid selbst war nicht allzu schlimm. Ich war zehn Tage in Quarantäne, habe mich dann „freigetestet“. Das war im März letzten Jahres. Danach bin ich wieder meinen Tätigkeiten nachgegangen, am dritten Tag aber bin ich in der Straßenbahn mit Schüttelfrost und Atemnot zusammengebrochen. So ist es losgegangen. Im Krankenhaus wurde nichts gefunden, ich wurde gefragt, ob ich psychische Probleme hätte. Ich fühlte mich nicht ernst genommen und sehr alleine gelassen. Anlaufstellen gab es nicht genug, am Telefon hing man ewig in der Warteschleife, alle schienen überfordert. Long Covid äußerte sich bei mir dann dadurch, dass ich wochenlang hundemüde war, ich hatte das Fatigue-Syndrom. Es hat ca. ein halbes Jahr gedauert, bis die Symptome milder wurden. Die Reha hat mir sehr geholfen. Der Austausch mit den Leidensgefährten jeden Alters, von Anfang 20 bis 70, war sehr wichtig. Es war schön zu merken, nicht allein zu sein.

Ist das Thema Long Covid für dich nun abgeschlossen?
Jetzt, nachdem ich vor Kurzem erneut Corona hatte, habe ich gemerkt, dass das Thema noch nicht abgeschlossen ist. Aber weil Long Covid so schlecht behandelbar ist, ist es umso wichtiger, mental stark zu bleiben. Ich bin eine starke Frau, war immer 250 Prozent, jetzt bin ich nur mehr 150. Das ist aber auch noch genug.

Mehr als genug vielleicht …
Ja genau, eben! Ich bin heute dankbar, dass es passiert ist, so absurd das klingt! Ich habe in meinem Leben aufgeräumt, weiß jetzt, was tut mir gut und was nicht, beruflich wie privat. Die Diagnosen haben auch den Ausschlag gegeben, mich von Piaf, die mich so lange begleitet hat, inhaltlich zu verabschieden. Der neue Name ist eine Geburt, ein Neustart.

Dass du die Diagnosen öffentlich machst, welchen Zweck hat das?
Die bewusste Entscheidung, damit nach außen zu gehen, basiert auf der Überzeugung, dass es hilft – einem selbst und anderen –, darüber zu reden. Das Thema unerfüllter Kinderwunsch betrifft so viele Frauen, aber so wenigen ist bewusst, dass es sie treffen könnte. Wer weiß schon, was „Hormonstatus“ bedeutet? Das sagt einem ja niemand! Ich möchte Frauen Mut machen. Mein Appell an sie ist, in dem Moment, wo man weiß, dass man eine Familie haben will – und nicht erst mit Mitte 30! –, den Hormonstatus checken zu lassen. Das kostet nicht einmal viel Geld. Ich möchte Bewusstsein schaffen. Auch die Entscheidung, mit Long Covid nach außen zu gehen, habe ich getroffen, weil ich glaube, dass man darüber reden darf und muss. Weil es hilft. Ich sage offen, ich habe mir während Long Covid Hilfe gesucht, JA!, und ich bin in Therapie gegangen, JA!. Das ist vollkommen in Ordnung! Es ist teilweise immer noch so, dass man darüber nur unter vorgehaltener Hand spricht. Dass sich daran etwas ändert, dazu will ich etwas beitragen.

Apropos Neustart. Dein Künstlername Eve Kind hat eine doppelte Botschaft …
Eve Kind, also deutsch „Kind“ und englisch „kind“, was freundlich oder liebenswürdig heißt – ich bin zum einen ein Stück weit neu geboren, zum anderen ist im Namen mein Lebensmotto „Be kind!“ enthalten. Und zweitens: Nie vergessen, dass es ist immer Luft nach oben gibt!

Als Schauspielerin nennst du dich weiterhin Evelyn Ruzicka. Was tut sich in der Schauspielerei bei dir derzeit? Hast du gerade Dreharbeiten?
Ich habe letztes Jahr „Soko Donau“ gedreht, das kommt im Herbst ins Fernsehen, und bei der 7. Staffel von „Schnell ermittelt“ war ich dabei. Ich drehe sehr gerne, aber ehrlich gesagt ist es nicht mehr so leicht. Wenn man als Frau älter wird, kriegt man weniger leicht Rollen, es sei denn man ist sehr stark etabliert in der Branche.

Das Jahr dauert nicht mehr allzu lange. Hast du schon Pläne für 2024?
Es wird getanzt! Im Studio und dann auf den Festivalbühnen. Das wünsche ich mir zumindest. Nach all den schweren Tagen wünsche ich mir Leichtigkeit und Freude. Das spiegelt sich auch sehr in meiner Musik, die ich gerade schreibe, wider. Leute, 2024 wird getanzt!­

© Christine Miess

Zur Person

Kreativer Start. Schon als Kind magisch von der Bühne angezogen, entschied sich Evelyn Ruzicka mit nur 13 Jahren, von Linz nach Wien zu gehen und dort das Musikgymnasium Boerhaavegasse zu besuchen. Umgeben von kreativen Menschen absolvierte sie die Matura und begann eine Schauspielausbildung am Konservatorium für Schauspiel und darstellende Kunst bei Elfriede Ott. Während des Studiums, das sie 2007 mit dem Bachelor abschloss, spielte Ruzicka in Theateraufführungen am Theater in der Josef­stadt und in den Wiener Kam­mer­­spielen, übernahm 2008 Schauspiel- und Musicalrollen an der Oper Graz und trat mit Gastrollen am Schauspielhaus Salzburg auf.

Ruzickas erfolgreichste Rolle war die der Édith Piaf im Stück „Piaf“, die sie ab 2008 spielte und 2022 zum letzten Mal aufführte. 2013 folgte, nach einer Tournee durch Österreich, Deutschland und Liechtenstein, das Album „Evelyn Ruzicka singt Edith Piaf – Une Histoire d’amour“. Ruzicka wirkte zudem in einigen Kurzfilmen sowie mit kleinen Rollen in Fernsehfilmen und Fernsehserien mit. 2015 spielte sie ihre erste Filmhauptrolle in dem Kinofilm „Centaurus“, der seine Premiere beim Grazer Filmfestival Diagonale hatte.

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