Magische halbe Sachen
Von Pantomime bis Poetry Slam: Wie facettenreich moderne Erzählkunst sein kann, zeigt eine „neue“ Frau an der Storytelling Festival-Spitze. Als Draufgabe gibt's ein feines Gewinnspiel.
© Lueflight
Habt ihr Lust zu staunen? Gebt „Halves Project“ auf YouTube ein und lasst euch in den Bann von einem, Pardon, von zwei herausragenden Pantomime-Künstlern ziehen. Aber macht das bitte erst im Anschluss an diesen Artikel, sonst verpasset ihr, was demnächst vor eurer Haustür stattfinden wird: nämlich das 36. Austrian International Storytelling Festival ab 7. Juni in Bad Schönau, dem wir diese Zeilen widmen.
Um die Neugier zu stillen
Das ukrainische „Halves Project“ wird ebendort zu Gast sein, und der Grund, warum sich die Autorin dieser Zeilen nicht entscheiden kann, ob hier von einer oder zwei Personen die Rede sein soll, ist: Die beiden performen mit Schwarzlichtmagie – und treten quasi als zwei leuchtende Menschenhälften auf, die eben wie durch Zauberei entzweit worden wären. Sehr besonders. So wie die sogenannte Hand-to-Hand-Akrobatik von Alexei und Zlata oder die Performance der indischen Erzählerin Deepa Kiran. Um auch heimische Interpretinnen aus dem Programm in Bad Schönau zu picken: Milly Groz vermag es, als Pianistin und Rhythmikerin zu fesseln, die Violinistin, Sängerin und Komponistin Julia Lacherstorfer mit ihren tiefgehenden musikalischen Erzählungen zu bewegen (siehe auch S. 96). Für den Fall, dass Ihnen die Häufung der weiblichen Vornamen auffiel: Das ist kein Zufall. Schon Märchenerzähler und Festivalerfinder Folke Tegetthoff war insbesondere in den vergangenen Jahren darauf bedacht, vermehrt Frauen ins Rampenlicht zu holen. Tochter Tessa Erker-Tegetthoff erklärte das klar zu ihrem Ziel: „Das Festivalthema lautet heuer #femalestories: Wir haben bewusst in erster Linie Frauen eingeladen und den männlichen Erzählern – zuvor hatten wir nie Vorgaben gemacht – konkret nahegelegt, thematisch einen Frauenschwerpunkt zu wählen“, sagt sie. Sich in allen Belangen für mehr Diversität zu engagieren, sei am Puls der Zeit und nahezu selbstverständlich, findet sie.
Weibliche Handschrift
Nicht ganz so selbstverständlich war es bei aller Liebe zum renommierten Festival, den Reigen dieses Jahr komplett verantwortlich zu übernehmen, verrät sie. Immerhin wird unter diesem Namen auch die Steiermark an mehreren Orten bespielt. „Mein Vater hat letztes Jahr entschieden, dass er aufhört und sich wieder mehr auf das Schreiben und seine Auftritte konzentrieren will“, sagt die neue Intendantin. Dass sie jene der vier
Tegetthoff-Kinder sein wird, die das Festival schupft, war schon lange klar; sie ist schon seit vielen Jahren an Board.
Bloß der Zeitpunkt kam etwas überraschend. „Dass ich in Berlin lebe und meine beiden Kinder erst drei und sechs sind, sind Parameter, die es nicht gerade einfach machen“, lacht sie. Ohne das fantastische Team vor Ort wäre vieles nicht möglich gewesen. Aber so schreckte Tessa Erker-Tegetthoff selbst davor nicht zurück, gleich im ersten Jahr dem Storytelling-Festival ihre eigene Handschrift zu geben.
Das bedeutete nicht nur, Website, Sujets und Drucksorten einen frischen Look zu schenken, sondern auch inhaltlich dahingehend zu wirken, dass verstärkt ebenso ein junges Publikum, Menschen ab ihren 20ern, dem Lockruf folgt. „‚Fabelhaft Niederösterreich‘ trägt heuer ,a magical experience‘ als zusätzlichen Titel. Das ist ein Hinweis darauf, dass man bei uns mit allen Sinnen in andere Welten eintauchen kann – und zwar mit viel Tiefgang. Wie wir Geschichten präsentieren, daran ist nichts verstaubt.“
Genrevielfalt
Das Festival mit dem Live-Programm geht in Bad Schönau heuer über fünf Tage; die Bandbreite erstreckt sich von Matineen der Geschichten für Schülerinnen und Schüler über eine kulinarische Märchenwanderung und ein Story Dinner bis hin zu einem regelrechten genussvollen Marathon mit der „Langen Nacht der Geschichten“ und dem „Großen Fest im fabelhaften Ort“. Die Gäste erwartet dabei nicht nur klassische Erzählkunst, sondern auch Poetry Slam, Figuren- und Schattentheater sowie Akrobatik und Musik.
Das Sahnehäubchen im Finale bleibt: Das über den ganzen Nachmittag gehende Abschlussfest mit vielen Acts ist auch weiterhin bei freiem Eintritt zugängig. Dabei punktet der Kurpark Bad Schönau nicht nur durch seine Schönheit, als fixer Bestandteil des Festivals gastieren dort wieder – und zwar über den gesamten Sommer – mehr als 30 erzählende, begeh- und bespielbare Märchenobjekte, die Folke Tegetthoff im Laufe der vergangenen Jahre entwarf und teilweise gemeinsam mit Berufsschülerinnen und -schülern umsetzte.
Sconarium
Eine Draufgabe hat Bürgermeister Feri Schwarz, der bei unserem Gespräch spontan dazustößt, parat: Das erst kürzlich eröffnete Sconarium, das einerseits als modernes Kulturhaus glänzt, beherbergt andererseits auch eine interaktive Erlebnisausstellung. Gewidmet ist diese dem Juwel des Kurortes Bad Schönau: der Quelle mit natürlichem Kohlensäuregas; das Heilwasser gilt als äußerst wirksam bei Durchblutungsstörungen. Das Museum bietet eindrucksvolle Einblicke, „selbst die Klangkulisse wurde eigens von dem Musiker Siegfried Friedrich komponiert“, beschreibt Feri Schwarz.
Gewinnt ein fabelhaftes Festivalwochenende! – hier gehts zum Gewinnspiel.
Das 36. Austrian International Storytelling Festival findet von 23. Mai bis 2. Juli in der Steiermark (Graz, Vorau, Bruck/Mur, Bad Radkersburg) und in Niederösterreich statt. „Fabelhaft Niederösterreich“ geht von 7. bis 11. Juni in Bad Schönau mit internationalen Stars der Erzählkunst über die Bühne: Zu ihnen zählen etwa „Halves Project“ aus der Ukraine sowie Deepa Kiran aus In- dien (Bilder oben); den Abschluss bildet „Das Große Fest im fabelhaften Ort“. www.storytellingfestival.at