Von der Natur geküsst
Naturkosmetik boomt. Und das nicht erst seit gestern.
© Gerhard Merzeder
Jennifer Lopez, Gisele Bündchen oder Gwyneth Paltrow schwören schon lange darauf: Naturkosmetik – und die Liste der berühmten Fans geht noch endlos weiter. Model Miranda Kerr und Schauspielerin Jessica Alba gingen für ihre Liebe zur Natur sogar unter die Gründerinnen und launchten ihre eigene Naturkosmetiklinie. Mit dem Griff zu Schönmachern aus der Natur sind wir also in bester Gesellschaft. Kein Wunder, bringen uns die Produkte dank wertvoller Rohstoffe aus der Natur doch auf ganz natürliche Weise zum Strahlen und boostern uns genau mit den Nährstoffen, die unser Körper braucht – müssen wir noch mehr sagen? Doch wo hat Naturkosmetik ihren Ursprung? Und auf welche heimischen Beauty-Labels können wir vertrauen? Wir haben Licht ins grüne Dickicht gebracht.
Kleopatra: das erste Naturkosmetik-Testimonial
Schon lange bevor die Industrie die Kosmetik entdeckte, nutzten die Menschen pflanzliche Öle, Fette sowie Duftstoffe für ihre Körperpflege. Der Grundstein für das, was wir heute unter Naturkosmetik verstehen, wurde jedoch im Alten Ägypten gelegt. Für ihr ebenmäßiges Hautbild schwor Kleopatra etwa auf Honigmasken, Mandelöl und Eselsmilch, in der sie regelmäßig badete. Zudem fanden Archäologen in Gräbern Haarfestiger, hergestellt aus Harz und Bienenwachs, Puder und Lidschatten aus gemahlenen Mineralien und Lippenstift auf Basis von Gänsefett.
Ein Blick in Sisis Beauty-Schrank.
Eine, die ebenfalls auf natürliche Schönheitsrituale setzte, war Sisi. Die Kaiserin von Österreich legte sich regelmäßig kühlende Gurkenmasken auf oder bestrich ihr Gesicht mit zerdrückten Erdbeeren für den optimalen Anti-Aging-Effekt. Gegen Spliss verwendete Sisi eine Tinktur bestehend aus Brennnesseln, Zitronenwasser und Apfelessig. Die Rezeptur gilt noch heute als einer der Geheimtipps für glänzendes und gesundes Haar.
Die goldene Ära der Naturkosmetik.
Im Lauf der Zeit bekam die Naturkosmetik immer mehr Konkurrenz von konventioneller Kosmetik. Gänzlich verschwand sie aber nie aus der Beauty-Bubble. Im Gegenteil. In den 1960er- und 70er-Jahren entstand im deutschsprachigen Raum eine regelrechte Naturkosmetikbewegung, in der sich Menschen kritischer mit den Inhaltsstoffen von Kosmetikprodukten und deren Folgen auf Mensch und Umwelt auseinandersetzten.
Marken wie Dr. Hauschka verschrieben sich von da an der Naturkosmetik, andere Unternehmen wie Lavera wurden in den darauffolgenden Jahren gegründet und läuteten die große Ära der grünen Kosmetik ein.
In den 2000ern erlebte die Naturkosmetik dann einen regelrechten Boom. Mit dem Hype rund um Naturkosmetik kam aber auch das Problem von „Greenwashing“ auf, also Produkte, die sich natürlicher verkaufen, als sie sind. Denn was viele nicht wissen: „Naturkosmetik“ ist nach wie vor kein geschützter Begriff und kann schon bei geringen Mengen von Naturstoffen verwendet werden.
Kleine Traube, große wirkung.
Günter Stöffelbauer kennt dieses Branchenproblem und hat es von Anfang an anders gemacht. Gemeinsam mit seinem ehemaligen Schulkollegen und jüngsten Sohn des Weinguts Nikolaihof in der Wachau hat er mit „dieNikolai“ 2015 eine Demeter-zertifizierte Naturkosmetiklinie aus bisher unbenutzten Rohstoffen gelauncht. „Die Demeter-Zertfizierung garantiert unter anderem den kompletten Verzicht von konventionellen, genmanipulierten und kritischen Stoffen, wie Palmöl, Mikroplastik und synthetische Duftstoffe. Unsere regional gewonnenen und verarbeiteten Inhaltsstoffe haben österreichische Bioqualität und daher auch besonders kurze Transportwege“, so der Pionier. Der Star der Gesichts- und Körperpflegelinie ist der Traubenkern. „Das Traubenkernöl ist mit seinem hohen Anteil an antioxidativem Vitamin E ein wahres Anti-Aging-Wundermittel. Darüber hinaus hat es entzündungshemmende Eigenschaften, versorgt die Haut mit Feuchtigkeit und bekämpft Pigmentflecken“, so Stöffelbauer.
Dass sich trotz des Hypes aber nach wie vor viele Mythen über Wirksamkeit und Verträglichkeit ranken, merkt der Geschäftsführer in seiner täglichen Arbeit. „Oft scheint es fast so, als hätten Verwenderinnen weniger Angst vor unverständlichen, chemischen Zutaten als vor transparenten Inhaltsstoffen rein natürlichen Ursprungs.“ So ist laut Stöffelbauer die Überraschung vieler Verbraucher über die hohe Wirksamkeit der Produkte nach wie vor groß. „Einmal überzeugt, werden die Naturprodukte aber direkt an das Umfeld weiterempfohlen.“
Die Queen of Green.
Den Umstand, dass Naturkosmetik sich nach wie vor beweisen muss, kennt auch Julia Schauer. „Keine Frage, das Bewusstsein für natürliche Produkte ist in der Gesellschaft angekommen. Fakt ist aber auch, dass Naturkosmetik in Erscheinungsbild und Wirksamkeit heute gleich viel können muss wie herkömmliche Kosmetik, wenn nicht noch mehr.“ Für die gebürtige Welserin kein Problem. „In meiner 15-jährigen Tätigkeit als Beauty-Redakteurin habe ich so einige Neuheiten auf den Tisch bekommen. So auch zahlreiche Lippenbalsame. Bei jedem getesteten Produkt hätte ich etwas anders gemacht. Als dann auch noch der Markenname nicht vergeben war, war mein Vorhaben, meine eigene natürliche und vegane Lipbalm-Kollektion zu launchen, endgültig besiegelt“, so Schauer.
„Queen of Green“ war offiziell geboren und sorgt seit Mai für schöne Natürlichkeit in Hülle und Fülle. „Die tierversuchsfreien Lippenbalsame enthalten unter anderem wertvolles Mandel- und Pflaumenkernöl. Das Key-Ingredient ist aber die Ringelblume, die seit Jahrzehnten für ihre pflegende, schützende und regenerierende Wirkung bekannt ist“, verrät die Tochter eines Apothekers. Die Rezeptur selbst entstand in Zusammenarbeit mit einer Mikrobiologin und Kosmetikherstellerin. Ist die Kollektion, bestehend aus einem Tinted Lipbalm, einer Tages- und Nachtpflege einmal aufgebraucht, ist ihre Geschichte noch lange nicht zu Ende. „Die Hülle ist aus FSC-zertifiziertem Karton und enthält wertvolle Samen, die einmal eingepflanzt, zu einer wunderschönen Wildblumenwiese heransprießen.“
Also das Badezimmer in den nächsten Tagen in eine Zero-Waste-Oase verwandeln? „Bitte nicht. Der erste und beste Schritt in Richtung Nachhaltigkeit ist immer noch, Bestehendes aufzubrauchen und dann Schritt für Schritt umzustellen.“