© Lukas Beck
Bei der „Wachau in Echtzeit“ erweckt Manuela Linshalm die herzliche und urgrantige Würstelstandbetreiberin Resi Resch zum Leben. In dieser humorvoll-würzigen wie melancholischen Gesellschaftsgeschichte von der Straße lernen wir: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei …
Manuela Linshalm über „Die Welt ist ein Würstelstand“
Wenn es im November still wird in der Wachau, präsentiert Ursula Strauss seit 2012 mit ihrem ganz persönlichen Kulturprogramm „Wachau in Echtzeit“ Künstlerinnen und Künstler, mit denen sie bereits gemeinsame Arbeiten verbinden. Wie auch mit der Schauspielerin und Puppenspielerin Manuela Linshalm, die mit ihrem Stück „Die Welt ist ein Würstelstand“ begeistern und berühren wird.
Wer ist Resi Resch? Eine Würstelverkäuferin mit scharfem Auge, offenem Ohr und großem Herzen, die auf alle Lebensfragen den richtigen Rat parat hat. Wie etwa für den Hofrat, der seit dem Tod seiner Frau nicht weiß, was er mit seiner zweiten Wursthälfte machen soll. Oder die amerikanische Touristin, die die Lipizzaner sucht und Pferdeleberkäse bekommt, dem Obdachlosen und der Immobilienmaklerin. All diesen Figuren haucht Manuela Linshalm virtuos ein Leben ein, begleitet am Akkordeon von Heidelinde Gratzl.
Manuela, Sie spielten auf vielen Bühnen und drehten Filme – wie sind Sie zum Figurentheater gekommen?
Tatsächlich ist das Wiener Schubert für mich die Wiege meiner Figurentheater-Laufbahn. Dort habe ich 2007 Nikolaus Habjan kennengelernt, der gerade sein erstes Puppentheaterstück „Schlag sie tot“ mit Liedern von Georg Kreisler entwickelt hatte – während ich in einer Schauspielproduktion am Haus war. Mit dieser Begegnung ist die Begeisterung für dieses Genre erwacht und kurz darauf ergab sich unsere erste Zusammenarbeit. Bei diesen ersten Arbeiten hat mich das Figurentheater-Virus erwischt – unheilbar!
Ob Faust, die Zauberflöte, Oberon, Woyzeck bis zu „Was geschah mit Baby Jane“, um nur einige Ihrer international aufgeführten Stücke zu nennen – was macht für Sie die Magie der Puppen aus?
Dass Menschen sich beim Zuschauen von der Illusion verführen lassen, ein totes Objekt als lebendiges Wesen wahrzunehmen, mit ihm zu fühlen, ihm praktisch alles zu glauben. Die Puppe überzeugt durch ihre Wahrhaftigkeit, sie ist, was sie ist, sie muss keine Privatheit überwinden, sie ist Behauptung eines Charakters in noch viel direkterer Form als uns das als Schauspieler vielleicht je möglich ist.
Was ist die größte Herausforderung beim Puppenspiel?
Körperliche Fitness! Nein, Scherz beiseite, obwohl das natürlich schon ein wichtiger Punkt ist, da das Puppenspiel mit (über)lebensgroßen Figuren oft eine große physische Anstrengung bedeutet. Aber das Wichtigste ist, hinter die Puppe zu treten, „zu verschwinden“, obwohl wir uns nicht verstecken. Den Fokus abzugeben und der Puppe die Show zu lassen. Nur so funktioniert die Magie. Und natürlich Handwerk, das „Instrument“ so zu spielen, dass man seine ganze Wirkung ausschöpfen kann.
Wie entwickelt sich die Persönlichkeit einer Puppe bis zur Aufführung?
Manche Figuren nimmt man zu Probenbeginn in die Hand und sie sind da, sie reden sofort zurück, sie wissen, wer sie sind. Das klingt vielleicht ein bisschen gruselig – ist es auch! (lacht) Bei manchen Puppen sucht man Stimmen und Charakter, Haltungen oder Körperlichkeiten ein bisschen länger – es ist wie die Rollenarbeit im Schauspiel. Das ist es ja auch, was wir machen – Puppenschauspiel.

Gab es für die Figur der Resi Resch eine lebende Inspiration?
Ja! Frau Resch ist eigentlich die Würstelfrau vom Naschmarktstadl aus den 1980er Jahren, eine Figur aus der Feder von Dirk Stermann in seinem Roman „6 Österreicher unter den ersten 5“. 2014 hat das Rabenhoftheater in Koproduktion mit dem Schubert Theater diesen Roman dramatisiert und auf die Bühne gebracht. Ich habe damals diese Figur gespielt, mich quasi in sie verliebt und wollte dieser Frau Resch eine Lebensgeschichte, ein eigenes Stück geben. Dirk Stermann war einverstanden, Nikolaus Habjan hat mir die von ihm gebaute Puppe zur Verfügung gestellt, und gemeinsam mit dem Autor Stephan Lack habe ich dann „Die Welt ist ein Würstelstand“ geschrieben. Inspiriert von der „Urversion“ dieser Figur, aber auch gefüttert mit allem, was man in Wien so hört und sieht.
Gabs schon mal ein besonderes Hoppala bei einer Aufführung?
Immer wieder. Einmal ist mein ewig betrunkener Swoboda Kurtl vom Stuhl gefallen, als ich mich mit Frau Resch umdrehte und zum Standl zurückging. „Sie“ musste ihm wieder hochhelfen mit den Worten „Na servas Kurtl, heit bist sche beinand, wos host denn heit scho ois gsoffn?“ Tja, von alleine konnte er ja nicht aufstehen…
Wird sich das Puppenspiel mit dem Einsatz der KI in Zukunft ändern?
Ich denke und hoffe, dass die KI in diesem Genre maximal eine zusätzliche theatrale Ausdrucksform bietet und dieses schöne, elementare, uralte Theatergenre nicht ersetzt oder verdrängt. Wir arbeiten auch mit Figuren aus dem 3D-Drucker, schon das ist ein gewisser Einsatz von KI in der Herstellung, im Design, und am Schubert Theater wird bereits mit KI gearbeitet, manchmal auch textlich und musikalisch. Wir haben ein virtuelles Puppenmuseum, und im Februar gibt es immer unser „Future Lab“, in dem digitale Welten für das Figurentheater erforscht und damit experimentiert wird und KI in unterschiedlichsten Formen zum Einsatz kommt. Aber so wie wir Theater brauchen und Schauspieler, die live auf der Bühne stehen, und wir als Zuschauer ein Live-Erlebnis miteinander teilen, glaube ich auch, dass die Unmittelbarkeit des Puppenspiels, das Animieren einer Figur vor den Augen der Zuseher – eben analog – und damit die Verführung in die Illusion immer das Wesentliche an diesem Genre bleiben werden.
Zu sehen am 27. November um 19:30 im Renaissancesaal von Schloss Spitz.
Nähere Infos auf www.wachaukulturmelk.at und www.manuelalinshalm.at.