Eunike Grahofer: Wildnisapotheke und Rindenmedizin

Pflanzenwissen der einfachen Leut

5 Min.

© Eunike Grahofer

Seit 25 Jahren dokumentiert die Ethnobotanikerin, Buchautorin und über die Grenzen hinaus bekannte Referentin Eunike Grahofer das „Pflanzenwissen der einfachen Leut“. Wir baten die Kräuterpädagogin zum Gespräch.

Bereits als Kind wurde die Waldviertlerin mit heilenden Erzeugnissen aus dem eigenen Garten versorgt. Dieses wertvolle Wissen ihrer Mutter, die aus einer Holzfäller- und Hebammenfamilie stammt, und ihres Vaters, der aus einer Landwirtschaft kommt, machte sie zur leidenschaftlichen Erforscherin der „wilden“ Medizin. Für ihre Arbeiten über alte Hausmittel, das Lebens- und Überlebenswissen sowie das Wissen um die Naturzusammenhänge und das „Lesen“ aus der Landschaft von Menschen, die ein Alter von 80 Jahren oder mehr haben und in entlegenen Bergregionen mit kaum ärztlicher Versorgung wohnten, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im Jahr 2015 erhielt sie den Preis der Öster­r. Universitätenkonferenz „uniko“ und 2017 den Preis „Umwelt.Wissen“ Niederösterreich. Ihre bisher 14 Publikationen wurden mehrfach aufgelegt.

© Eunike Grahofer

Eunike, als Wildkräuterexpertin werden Sie vielfach von TV- und Print-Medien eingeladen. Welche Botschaft ist Ihnen dabei ein Herzensanliegen?
Eunike Grahofer: Die Geschichte des Menschen begann vor ca. 200.000 Jahren. Ebenso lange ist die Zeitspanne unserer Erfahrung mit der Natur. Sie hat uns ernährt und bei Krankheiten geholfen. Heute leben wir in einer „Luxus­zeit“, in der wir die Möglichkeit haben, uns auszusuchen, welche Nahrung wir haben wollen, wann uns pflanzliche Helferlein in Krankheitszeiten unterstützen können und wann schulmedizinische Produkte die bessere Wahl sind.

Mir ist es ein Herzensanliegen, die Wildnisapotheke als Kulturgut unserer Vorgenerationen zu bewahren und weiterzugeben. Die Rezepturen, die Geschichten, das Wissen und auch die darin enthaltenen Inhaltsstoffe sowie deren Wirkung – das alles ist für mich bewahrenswertes Kulturerbe, das Jahrtausende überdauert hat.

Wird das „Wildniswissen“ über Zeigerpflanzen oder Wetterpflanzen in einer immer komplizierter werdenden und technologischen Welt immer wichtiger?
Wir haben Mai, das Monat, in welchem der Holunder blüht. Er blüht erst, wenn die Zeit der Bodenfröste vorbei ist. Dieses wertvolle Wissen aus der Landwirtschaft hilft uns auch heute noch. Auf unseren Balkonen und Terrassen haben wir frostempfindliche Pflanzen, welche wir indoor überwintern müssen. Ab der Holunderblüte können wir frostempfindliche Pflanzen beruhigt ins Freie stellen.

Gehen wir spazieren und sehen, dass die Gänseblümchen ihre Blüten zusammenklappen, steigt die Luftfeuchtigkeit und die Regenwahrscheinlichkeit, uns bleibt bis zum Regenbeginn aber noch etwas Zeit. Schließen sich die blauen Ehrenpreisblüten, dann sind es nur mehr 20 Minuten, und senkt die Glockenblume ihre Blüten Richtung Erde ab, dann beginnt der Regen in wenigen Minuten.

Legt sie dabei ihre Blüten eng an ihren Stamm an, dann kommt starker Regen oder ein Gewitter. So können wir das Wetter an dem Ort, wo wir uns gerade aufhalten, an der Natur ablesen und dies auch, wenn kein Handyempfang vorhanden ist.

Ihr Schwerpunkt liegt auch auf der Rindenmedizin als „Apotheke der Knochenrichter, Holzfäller und Hebammen“. Wie können wir davon profitieren?
Direkt unter der Rinde sehen wir ein grünliches, dünnes „Band“, das Kambium, die sogenannte Nahrungs- und Wasserautobahn der Bäume und Sträucher. Darin sind in kompakter Form Mineralstoffe, Zucker, Wasser und Vitamine enthalten, die wir zur Nahrung wie auch zur Hausapotheke für die Haut, den Darm oder Unterleib, bei Entzündungen, Schwellungen, Schmerzen und vielem mehr verwenden.

Hierzu schälen wir nicht die Rinde von den Stämmen der Bäume, sondern verwenden die Rinde der Zweige und Äste. Nach Stürmen liegen Äste am Boden, oder wir verwenden die abgeschnittenen aus dem Gartenschnitt. Dafür eignen sich alle Obstbäume oder Sträucher, die Birke, Eiche, Buche, Linde, Weide, Tanne und Kiefer.

Mein Lieblingsrezept bei Erkältung, Husten oder anderen Entzündungen ist die Schwarze Johannisbeerrindenmilch: Man nimmt 2 EL Johannisbeerzweigstücke, 1/4 l Milch und 1 TL Honig. Die Milch kocht man mit den Rindenstücken am Herd auf, lässt sie zehn bis 15 Minuten bei leichter Temperatur weiterziehen, seiht ab und gibt den Honig dazu – fertig ist eine hilfreiche Köstlichkeit. Diese Re­zepte sind alle einfach und schnell selbst gemacht.

© Eunike Grahofer

Im Mai erblüht die Natur üppig. Welche Kräuter tun uns jetzt gut?
Die Natur trägt gerade ihr „Brautkleid“! Wohin unser Auge reicht, sehen wir Vollblüte und erleben wundervollste Düfte. Ganz nach dem Spruch „Rosen und Kastanien für die Braut geben ihr eine schöne Haut“ ist ein einfaches Rezept die Rosen-Kastanienblütensole. Hierzu nimmt man zwei bis drei Rosenblüten, 1 STK Kastanienblüte, 400g grobes Salz und 1 l Wasser.

Das Salz in ein Gefäß geben, das warme Wasser darübergießen, dann kommen Rosen- und Kastanienblüten hinzu. Das Glas nun mit einem Tuch abgedeckt vier bis fünf Tage stehen lassen, danach durch ein feines Sieb seihen. 1/4 l dieser Sole für ein reinigendes, porenöffnendes, straffendes Vollbad dem Badewasser hinzugeben oder auch als Reinigungswasser für das Gesicht verwenden.

Nach der Rosenblüte folgen die Lindenblüten. Auf stressgeplagte oder nervöse Personen wirken diese beruhigend. Sie helfen auch bei Husten, Erkältungen und regen den Stoffwechsel an. Zur Beruhigung acht bis zehn Blüten mit zwei Zitronenscheiben in 1 l Wasser geben und über Nacht zugedeckt ziehen lassen, am nächsten Tag schluckweise trinken.

Bei Erkältungen bereiten wir einen Tee aus 1 EL Lindenblüten und 1/4 l Wasser. Die Lindenblüten übergießen wir mit dem abgekochten Wasser und lassen dies fünf bis sieben Minuten ziehen, dann abseihen und trinken.

www.eunikegrahofer.at

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