Work hard, play hard? – Ein Blick auf unsere kapitalistische Arbeitswelt
Von ungleicher Bezahlung über toxische Hustle-Culture bis hin zu sexistischen Sprüchen: Journalistin Verena Bogner wirft in ihrem neuen Buch einen genauen Blick auf die kapitalistische Arbeitswelt.
© Pexels/Cottonbro Studio
Was Beyoncé, Taylor Swift und die Kardashians gemeinsam haben? Neben ihrem Einfluss auf die Popkultur prägen sie auch maßgeblich unsere Vorstellungen von Erfolg und Arbeitsmoral. Genau diesem Thema hat sich Autorin und Journalistin Verena Bogner in ihrem neuen Buch „Not Your Business, Babe! – Alles, was du als Frau über die Arbeitswelt wissen musst“ gewidmet.
In diesem erklärt sie, welche Fallen in der kapitalistischen, patriarchal geprägten Arbeitswelt lauern und zeigt auf, dass wir noch längst nicht in einer gleichberechtigten Welt leben. Im Gespräch über Hustle-Culture, Solidarität und „Der Teufel trägt Prada“.
Was hat dich dazu bewegt, ein Buch über die kapitalistische Arbeitswelt zu schreiben?
Verena Bogner: Meine eigenen Erfahrungen in der Medienbranche, aber auch die Beobachtungen, die ich bei Kolleginnen, Freundinnen und Bekannten aus anderen Branchen gemacht habe, haben mich dazu bewegt, mich intensiver mit unserer Arbeitswelt auseinanderzusetzen. Und mit der Realität, die wir als Frauen darin erleben.
Ich habe gemerkt, dass ich mit meinen Erlebnissen nicht alleine bin – und genau dieses Gefühl will ich auch meinen Leser:innen geben. Arbeitswelt und Gesellschaft reden uns gerne ein, dass wir selbst schuld sind, wenn unser mittelmäßiger Kollege mehr Gehalt bekommt, wir aber nicht. Dass wir zu schlecht verhandelt haben, zu wenig selbstbewusst sind und uns noch mehr selbstoptimieren müssen. Aber dass Ungerechtigkeiten wie diese tief im System verankert sind, wird gerne unter den Tisch gekehrt.
Von den Kardashians über Taylor Swift bis hin zu Beyoncé – du machst viele Popkultur-Referenzen. Welchen Einfluss hat Popkultur auf die Wahrnehmung von Frauen in der Arbeitswelt?
Als leidenschaftlicher Popkultur-Nerd finde ich es ultraspannend, sich anzusehen, welche Narrative die großen Mainstream-Idole unserer Zeit transportieren. Superstars wie Beyoncé oder die Kardashians leben uns vor, dass wir nur hart genug arbeiten müssen, um erfolgreich zu werden. Das ist ein hübsches Märchen, denn es lässt strukturelle Ungerechtigkeiten und Diskriminierung in der Jobwelt völlig außer Acht.
Nicht jede:r kann und muss alles schaffen, und harte Arbeit führt auch nicht immer zum Erfolg – besonders für Frauen oder andere diskriminierte Gruppen wie People of Color oder Menschen mit Behinderungen. Diese Stars haben die Macht, die Arbeitseinstellung ihrer Fans zu prägen. Und ich finde, das wird dann problematisch, wenn sich eine Milliardärin wie Kardashian hinstellt und sagt „Get your fucking ass up and work“ und gleichzeitig ihre Angestellten ausbeutet.
Harte Arbeit führt leider nicht immer zum Erfolg – besonders für Frauen oder andere diskriminierte Gruppen.
Verena Bogner, Autorin und Journalistin
Dabei kritisierst du Phänomene wie „Hustle Culture“ und den „Girlboss-Feminismus“. Warum sind diese Konzepte so problematisch?
Der Girlboss-Feminismus ist eng mit der Hustle Culture verbunden. Beides lebt davon, dass wir harte Arbeit regelrecht abkulten. In der Theorie des Girlboss-Feminismus geht man davon aus, dass es ein schon in sich feministischer Akt ist, wenn eine Frau im Kapitalismus erfolgreich ist.
Dieses Denken fördert Einzelkämpferinnentum und sorgt vielleicht hin und wieder dafür, dass eine Frau an der Spitze eines Unternehmens steht. Das heißt aber nicht automatisch, dass das besser ist. Denn wir sind nicht von Natur aus die besseren Männer. Auch Frauen sind im Patriarchat sozialisiert und haben gelernt, sich im Job an männliche Verhaltensweisen anpassen zu müssen, um nach oben zu gelangen. In diesem Denken bleibt kein Platz für feministische Solidarität. Girlbosses nutzen ihre Macht nicht, um andere zu empowern und zu fördern, sondern denken nur an Ego-Erfolg.
Was steckt hinter der Faszination für vermeintliche „Girlbosse“? Du erwähnst dabei beispielsweise Miranda Priestley aus „Der Teufel trägt Prada“.
Untersuchungen belegen, dass wir durch bösartige Frauenfiguren in Berührung mit unserer „dunklen Seite“ kommen und durch sie gewissermaßen auch Rachefantasien ausleben. Miranda Priestly, die Chefin aus „Der Teufel trägt Prada“, beutet ihre Angestellten aus, verhält sich wie ein alter weißer Mann im Frauenkörper, und trotzdem bewundern sie viele, weil sie eine Frau ist, die sich in der knallharten Männerwelt durchgesetzt hat. Das ist erstmal legitim, aber trotzdem müssen wir als Zuschauer:innen auch kritisch hinterfragen, welche Verhaltensweisen wir abfeiern und dann vielleicht sogar ins echte Leben übertragen.
Wie kann man als Frau in der kapitalistischen Arbeitswelt „bestehen“, ohne so eine „egoistische Einzelkämpferin“ zu werden?
Das Zauberwort lautet „Solidarität“: Unsere Arbeitswelt fördert Egoismus und unsolidarisches Verhalten, dabei brauchen wir das genaue Gegenteil. Wir müssen uns zusammentun, uns informieren und gemeinsam die Regeln neu schreiben. Uns gegen die fortwährende Individualisierung wehren, entlarven, wie das System uns kleinhält und uns füreinander einsetzen. Wenn wir beobachten, dass der Chef die neue Praktikantin sexistisch anspricht, aber sie sich nichts zu sagen traut, auf sie zugehen. Über unser Gehalt sprechen. Und auch Männer mit ins Boot holen – denn die Solidarität sollte nicht nur unter Frauen stattfinden.
Unsere kapitalistische Arbeitswelt fördert Egoismus, dabei brauchen wir das genaue Gegenteil.
Verena Bogner, Autorin und Journalistin
Was können Unternehmen tun, um mehr Raum für Solidarität zu schaffen?
Unternehmen müssen verstehen, dass Frauen unter einer Doppelbelastung leiden, weil sie eher für Care-Arbeit im privaten Bereich zuständig sind. Das führt zu einer größeren Gefahr für die mentale Gesundheit. Diese Zusammenhänge müssen von Arbeitgeber:innen anerkannt werden, denn sie sind keinesfalls reine Privatsache.
Außerdem sollten wir viel mehr darüber nachdenken, wie eine kollektivistischere Arbeitskultur aussehen könnte, in der es mehr um Zusammenarbeit als um Konkurrenz geht. Und darüber, wie wir Führungskonzepte neu denken können, anstatt immer wieder darüber zu sprechen, wie „männliche vs. weibliche“ Leadership aussieht, und dadurch noch mehr Gräben zwischen den Geschlechtern zu schaffen.
Welche Veränderungen würdest du gerne in der Arbeitswelt sehen, um die Gleichberechtigung von Frauen und anderen benachteiligten Gruppen zu fördern?
Wie heißt es so schön: Der Fisch fängt vom Kopf her zu stinken an. Es muss sich politisch etwas tun, genauso wie auf den Führungsebenen. Es muss verstanden werden, dass unsere Vorstellung von Arbeit weder gerecht noch zukunftsfähig ist. Aber das heißt nicht, dass wir als Individuen uns komplett zurücklehnen können. Wir müssen die Solidarität leben und laut werden, um Veränderungen zu fordern, und uns nicht länger abspeisen lassen.
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MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS:
Tjara-Marie Boine ist Redakteurin für die Ressorts Business, Leben und Kultur. Ihr Herz schlägt für Katzen, Kaffee und Kuchen. Sie ist ein echter Bücherwurm und die erste Ansprechpartnerin im Team, wenn es um Themen wie Feminismus und Gleichberechtigung geht.